Klinsmann: Sein Projekt steht auf der Kippe

Beim FC Bayern herrscht nach der dritten Pleite im vierten Spiel, nach dem 1:2 gegen Aufsteiger 1. FC Köln, eine trügerische, weil gefährliche Ruhe. Klinsmann braucht jetzt Siege
von  Abendzeitung
Mit gesenktem Kopf nach der erneuten Pleite: Doch Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann gibt sich kämpferisch.
Mit gesenktem Kopf nach der erneuten Pleite: Doch Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann gibt sich kämpferisch. © sampics

Beim FC Bayern herrscht nach der dritten Pleite im vierten Spiel, nach dem 1:2 gegen Aufsteiger 1. FC Köln, eine trügerische, weil gefährliche Ruhe. Klinsmann braucht jetzt Siege

MÜNCHEN Das Gesicht, das der FC Bayern am Sonntagmittag, am Tag nach dem 1:2 gegen den 1. FC Köln, zeigte, lächelte. Nicht mal gequält, es strahlte. Das DSF hatte Jürgen Klinsmann live in die Sendung „Doppelpass“ geschaltet. Da stand er, die Sau des Senders neben sich platziert. Gut gelaunt und kämpferisch gab er sich, das Phrasenschwein blieb leer, am Ende warf er freiwillig drei Euro rein.

Klinsmann blieb ruhig, verkaufte sich entschlossen, die Probleme anzupacken. Er kündigte eine härtere Gangart an. Die Spieler hatten das zuvor in einer Mannschaftssitzung bereits erfahren dürfen. Gegen Köln fehlte Klinsmann nach dem 0:1 „der richtige Kampf, Fight und Aggressivität“. Der 44-Jährige forderte: „So etwas können wir uns nicht mehr erlauben.“ Wir, also die Mannschaft. Es klang ein wenig nach Distanz zwischen dem Coach und den Spielern, auch wenn Klinsmann stets „wir“ sagte. Er ist sich bewusst: Verliert „wir“ weiter, geht es um ihn, um seinen Job. Klinsmann: „Ich weiß, dass ich an Ergebnissen gemessen werde.“

0:1, 3:1, 1:2, 1:2 – so die bisherigen Rückrundenergebnisse, für die Bayern-Welt verheerend (siehe unten). Eine weitere Niederlage, könnte man meinen, sie haben einen Anti-Lauf, doch diesmal war einiges anders. Erstens: In Hamburg und in Berlin war Bayern die bessere Mannschaft und verlor. Manager Uli Hoeneß urteilte im Rückblick: „Das war okay.“ Gegen Köln – und das ist neu – war Bayern die schlechtere Mannschaft und verlor. Die Hoeneß-Wertung: „Das ist nicht okay.“ Und verwunderlich. Denn Bayerns Stärke, oft gepaart mit dem Bayern-Dusel war immer: Schlecht spielen und wenigstens einen Punkt ergaunern. Denn wenn sie gut spielten, gewannen sie sowieso. Das war „Mir san mir“. Das war einmal. „Es ist noch nichts verloren“, sagte Klinsmann tapfer und wiederholte sein Dogma: „Wir sind auf einem guten Weg.“ Neu ist der Zusatz: „Wir müssen uns sputen.“ Aber ja.

Ebenfalls neu war die Analyse der Bosse. Hatten sie nach den ersten Pleiten 2009 noch heiter-vergnügt bis arrogant-trotzig davon gesprochen, dass man am Ende doch ohnehin Meister werde. Als wäre es Fakt. Sie waren auf Klinsmanns Linie. Er sprach davon, dass die Tabellenführung nur aufgeschoben sei, Die Fahrt geht weiter, auch wenn man Umwege neben muss oder mal schlingert. Der Weg ist das Ziel. Nicht bei Bayern, da ist das Ziel, der Titel, das Ziel. Hoeneß glaubte: „Wenn wir mal drei Spiele gewinnen, ist der Spuk vorbei. Und das muss ja irgendwann kommen.“ Vielleicht hilft ein Fernglas.

Der Spuk hält an. Die Bosse hatten sich abgesprochen in ihrer Unfallanalysen-Rhetorik, immerhin das gelang. „Es gibt nichts mehr zu beschönigen“, meinte Hoeneß, „es macht keinen Sinn, jetzt Schuldzuweisungen zu machen.“ Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge: „Wir werden nicht eingreifen. Jetzt ist Ruhe gefragt. Wir werden nicht hektisch werden und nicht irgendwelche wilden Vorwürfe von uns geben.“ Doch Druck, den habe noch jeder Bayern-Trainer gehabt. Und der steigt. Im Stillen. In aller Ruhe. Und wie schon so oft an Säbener Straße geschehen: In der Ruhe liegt die Gefahr.

Klinsmann steht auf dem Prüfstand – auf der Kippe. Wie schon im Herbst, als es nur zwei Pleiten in der Liga gab. Die Kritik von außen wird härter. „Jeder versteckt sich, lauter Ich-AGs sind da auf dem Platz“, schimpfte Ex-Trainer Udo Lattek. Ex-Kapitän Stefan Effenberg bemängelte: „Da fehlt Aggressivität, Körpersprache. Ohne Abwehr kannst du nicht gewinnen. Wenn sie gegen Lissabon scheitern, gibt es Probleme.“

Lucio hatte Klinsmann für die nächste Aufgabe, das Achtelfinalhinspiel der Champions League am Mittwoch bei Sporting Lissabon, unnötigerweise geschont. Eine unglückliche Entscheidung, es ging daneben. „Ich habe nie Lust, zuzuschauen“, sagte Lucio, warum ich nicht gespielt habe, müssen Sie den Trainer fragen.“ Klingt nie gut, so ein Satz.

Patrick Strasser

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