Klinsmann: „Jetzt geht es natürlich auf den Trainer los!“

Die Momente nach der Schande von Barcelona. Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann ist von der 0:4-Pleite sichtlich gezeichnet. Der einstige Strahlemann, der Reformer, der Visionär hakt die Champions League ab – und auch seinen Job?
von  Abendzeitung
Klinsmann ist und bleibt eine Reizfigur.
Klinsmann ist und bleibt eine Reizfigur. © firo/Augenklick

BARCELONA - Die Momente nach der Schande von Barcelona. Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann ist von der 0:4-Pleite sichtlich gezeichnet. Der einstige Strahlemann, der Reformer, der Visionär hakt die Champions League ab – und auch seinen Job?

Mit jedem Gegentreffer sank er immer weiter zusammen. 0:1, 0:2, 0:3, 0:4 – Jürgen Klinsmann hockte im Camp Nou neben Manager Uli Hoeneß und wurde immer kleiner – gerade so, als würde er sich am liebsten einfach in Luft auflösen. Doch irgendwann nach dem schlimmsten Champions-League-Debakel seit Jahren, der Vorführung durch den FC Barcelona, musste er runter von seiner Strafbank. Doch auch als der Bayern-Trainer aus der Deckung und ins Premiere-Studio kam, war nichts mehr zu sehen vom einstigen Strahlemann. Vom Reformer. Vom Visionär.

Der Blick leer, der ganze Mann Frust pur. Jürgen Klinsmann sagte: „Das war eine Demontage, es wurden uns einfach die Grenzen aufgezeigt – in jedem Bereich.“ Auch ihm, dem Jung-Trainer. Den Einzug ins Halbfinale hakte er, der notorische Optimist, mit einem Nebensatz ab: „Da müssen wir gar nicht mehr drüber reden.“ Eine seiner Aufgaben sei es gewesen, die Mannschaft in Europa voranzubringen, gab er zu. Gewesen? „Jetzt ging’s nur bis ins Viertelfinale.“Wohl wahr.

Dass der FC Bayern dorthin mit der besten Bilanz aller acht verbliebenen Teilnehmer gekommen war, wagte nicht einmal mehr Klinsmann zu erwähnen. Zu schlimm war die Erniedrigung ausgefallen. „Ich muss natürlich anerkennen, dass wir demontiert wurden, dass wir auseinander genommen wurden“, erklärte der 44-Jährige und schränkte ganz vorsichtig ein: „Das ist jene Mannschaft, die in Europa die Maßstäbe setzt. Wenn da nicht alles passt, und bei uns hat wenig gepasst, kommt so eine Halbzeit wie die erste dabei raus.“ Eine grauenhafte.

Dass allerdings seine Mannschaft jene Maßstäbe, die sich der FC Bayern selbst setzt, zuletzt ganz, ganz weit nach unten verschoben hat? Zuerst auf nationaler Ebene mit dem grauenhaften 1:5 beim vermeintlich „wichtigsten Spiel“ (Klinsmann) in Wolfsburg – und nun auch noch international mit dem noch schlimmeren 0:4 bei Barca. Klinsmann wirkte ratlos. Er verstrickte sich in Widersprüche. „Wir sind in keinster Weise in der Lage, die Ausfälle von Lucio, Lahm und van Buyten zu kompensieren“, versuchte er eine Entschuldigung für die weltweit live übertragene Rufschädigung. Dabei hatten Lucio und Lahm in Wolfsburg noch mitgewirkt.

Als er gefragt wurde, ob die Mannschaft nicht verstehe, was er von ihr wolle, reagierte Klinsmann ziemlich kleinlaut. „Wir sagen schon das Richtige“, behauptete er, „wir nehmen uns das auch vor. Aber dass die Umsetzung nicht funktioniert hat, war offensichtlich. Wir sind nicht in den Fight gekommen, wir sind nicht in die Zweikämpfe rein gekommen.“ In der Champions League! Im Viertelfinale! Gegen den FC Barcelona!

Er habe zu seinen Spielern vor dem Anpfiff gesagt: „Wir müssen ihnen weh tun, aber das haben wir nicht getan.“ Dem Trainer dämmert’s , dass nun ihm weh getan wird. Dem Trainer dämmert’s, dass es um seinen Job geht. Vor dem Anpfiff hatte er in der „SZ“ gesagt: „Ich bin hier extrem ergebnisabhängig.“ Nach dem desaströsen Ergebnis im Camp Nou, meinte er: „Jetzt geht es natürlich auf den Trainer los.“

Es klang fast, als hätte er Verständnis dafür. Premiere- Moderator Patrick Wasserziehr fragte daraufhin konsequenterweise: „Sie würden also jede Entscheidung des Vorstands akzeptieren?“ Worauf Klinsmann gereizt reagierte: „Ich weiß, worauf sie raus wollen mit ihrer provokanten Frage.“ Das wusste jeder. Auf die mögliche Entlassung. Doch dazu konkret sagte Klinsmann dann doch nichts. Stattdessen meinte er: „Ich war immer ein Kämpfer.“ Und früher war er auch stets optimistisch.

Jochen Schlosser

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