Klinsmann ist überall

MÜNCHEN - Acht-Stunden-Tag, Trainerstab, Buddhas: Der FC Bayern München wieder einmal als Vorreiter? Nur auf den ersten Blick. Denn so reformfreudig sind die Konkurrenten des Rekordmeisters.
Jürgen Klinsmann (43) wird als Reformator gefeiert. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge schwärmt von der „zeitgemäßen Philosophie“, von der „perfekten Oase“, die der Klub-Coach-Novize an der Säbener Straße geschaffen habe. Der FC Bayern habe „einen neuen Standard in Deutschland“ gesetzt: „Ich denke, der Nacheifer-Effekt wird groß sein, wenn wir Erfolg haben.“ Die Bayern also wieder mal Vorreiter, Vorbild für den Rest der Liga?
Nur auf den ersten Blick. Auch andere Bundesliga-Vereine und ihre Trainer haben sich etwas einfallen lassen, arbeiten mit Klinsi-Methoden – oder praktizierten sie schon vor dem Münchner Erneuerer.
Der Dienstplan
Bruno Labbadia (42) hat den 8-Stunden-Tag, der nun bei Klinsmann praktiziert wird, schon bei seiner letzten Station, Greuther Fürth, eingeführt. Den Bayer-Kickern in Leverkusen verordnete der ehemalige Bayern-Torjäger nun sogar die 10-Stunden-Schicht, 8 bis 18 Uhr. Inklusive gemeinsamen Frühstück und Mittagessen. Nach dem Lunch können die Stars im extra umgebauten VIP-Zelt relaxen. „Für die Spieler ist das eine Umstellung, aber ich denke, sie verstehen das“, sagt Labbadia.
Auch Fred Rutten (44), neuer Chef-Coach auf Schalke, dem der Ruf als Disziplin-Fanatiker („Bestimmte Regeln muss es geben“) vorauseilt, schwört auf Ganztagsbeschäftigung seiner Profis, lässt dafür einen Ruhe-Raum bauen am Trainingsgelände.
Selbst über die neue Heimschläfer-Regelung vor den Heimspielen können sich die Bayern-Asse nicht exklusiv freuen. Eintracht-Coach Friedhelm Funkel (54) lässt die Frankfurter Profis ebenfalls in den eigenen Betten schlafen.
Der Trainerstab
Mit zehn Gehilfen hält Klinsmann den Rekord in Deutschland. Doch auch der HSV hat aufgerüstet. Der neue Trainer Martin Jol (52) beschäftigt sieben Assistenten, bescherte den Hamburgern den größten Trainerstab der Klubgeschichte. Der Holländer sagt: „Bei den Spielern auf dem Platz braucht man Spezialisten, das gilt auch für die Arbeit auf dem Trainingsplatz.“
Werder Bremen, Leverkusen und Borussia Dortmund haben immerhin von drei auf vier Assistenten aufgepimpt. Thomas Schaaf verpflichtete mit Benjamin Kugel erstmals einen Fitness-Coach. „Es geht darum, der Körper-Potenzial der Spieler auszuschöpfen.“ Jürgen Klopp holte einen zweiten Fitness-Trainer, Oliver Bartlett, zur Borussia. Labbadia stellte Zvonko Komes, der letzte Saison noch unter Ottmar Hitzfeld bei Bayern gedient hatte, als zusätzlichen Fitness-Coach ein.
Die Technik
Chefanalytiker Michael Henke, soll per Video-Überwachung und Aufbereitung im neugebauten TV-Studio dafür sorgen, dass Klinsmann und Co. keine Schwäche und Stärke seiner Spieler verborgen bleibt. Per Spezial-Handy können Körperdaten auf Laptops in die Medizinische Abteilung übertragen werden. Auch in Bremen tragen die Kicker zuweilen Spezialwesten, in denen ein ein Sender angesteckt ist. Der übermittelt Puls, Schnelligkeit, Laufwege an den Computer. Trainer Thomas Schaaf: „Wir haben mit dieser Mess-Systeme-Firma schon seit Jahren Kontakt. Wir lassen nur nicht immer alles gleich nach außen dringen.“
In Stuttgart ließ Coach Armin Veh (47) die VfB-Profis mit Pulsuhren ausstatten, die Daten an einen Laptop senden – zur individuellen Trainingssteuerung.
In Sachen Analyse-Methoden war Aufsteiger Hoffenheim den Bayern sogar voraus. Sportdirektor Bernhard Peters, ein Klinsmann-Freund, den der Ex-Bundestrainer zum DFB holen wollte, beschäftigte schon letzte Saison in der Zweiten Liga einen Video-Analysten. Auch Bundesliga-Rückkehrer Köln ist analysetechnisch mit Bayern auf Augenhöhe: In Kooperation mit „NetCologne SportsLab“ werden Details wie Ballbesitz, Fehlpass- und Zweikampfquote ausgewertet.
Das Trainingsgelände
Auditorium, Ruheoasen, Dachterrasse, Playzonen, Bücherecke im neuen Leistungszentrum – Millionen-Investition in München. Der HSV ließ sich die Renovierung des Kabinentrakts 500000 Euro kosten. Eine 15-Meter-Tartanbahn wurde eingebaut, mit Lichtschranken im 5-Meter-Abstand. Zur Sprint-Optimierung. Zudem wurde ein Kraftmessplatte zur Sprungkraft- und Ganganalyse installiert. Labbadia richtete seinen Bayer-Profis eine Relax- und eine Spiel-Ecke mit Video-Konsole ein. Felix Magath (54) lässt in Wolfsburg für 1,5 Millionen Euro ein ganz neues Trainingsgelände bauen (ab Herbst). Mit einer Sandkiste, mit Sprungflächen und einem Hügel mit zwei Sprintrampen (6 und 20 Prozent Steigung). Quälix eben.
Schöne neue Fußball-Welt quer durch die Liga. Nur Buddhas für den „guten Energiefluss“ (Klinsmann) haben die Bayern noch exklusiv.
Franz Meier