Klinsmann: „Ich habe Verständnis, dass die Fans auf mich sauer sind“

MÜNCHEN - Es waren Momente, die weh taten beim 1:1-Rehabili- tationsspiel gegen Barca: Die Bayern-Anhänger rufen nach Hitzfeld, Gerland, Scholl, und Matthäus. Doch Trainer Jürgen Klinsmann hofft weiter auf die Versöhnung – mit dem Titel.
Dynamik hatte Jürgen Klinsmann bewiesen. Er fuchtelte und gestikulierte an der Seitenlinie wie einst im Sommer 2006. Als wäre das Frühlingsmärchen von Fröttmaning gegen den FC Barcelona nur eine Frage der Zeit. Als hätte es die Schmach vom vergangenen Mittwoch, jenes desaströse 0:4, nie gegeben. Doch nicht einmal, dass sich der FC Bayern diesmal beim 1:1 „hervorragend verkauft“ (Klinsmann) hat, nicht einmal, dass er sich in der zweiten Halbzeit seiner schwarzen Jacke entledigte, schützte ihn vor den Schmähungen eines Teils der Fans. Der Bayern-Trainer stand im Hemd da – und tausende Anhänger verhöhnten ihn.
„Ottmar Hitzfeld, Du bist der beste Mann“ schallte es, ausgehend von der Südkurve, durch die Allianz Arena. Einige riefen auch nach „Hermann Gerland“, dem kultigen Schleifer-Typen von Bayern II. Ein paar Vorwitzige forderten gar Klinsmanns Intimfeind: Es gab „Lothar Matthäus“-Sprechchöre. Auch nach „Mehmet Scholl“ wurde gerufen. Jenem Scholl, der dem Bayern-Stürmer Klinsmann einst – wegen mangelhafter Ballkontrolle – den zweifelhaften Spitznamen „Flipper“ verpasst hatte.
Der derart geschmähte Übungsleiter jedoch verlor die Kontrolle nicht. Angesprochen auf die nicht zu überhörende Anti-Klinsmann-Stimmung im eigenen Stadion, gestand er im „Premiere“-Studio: „Ja, das ist nicht angenehm.“ Und er zeigte sich überraschend verständnisvoll, griff zu einer seiner neuen Lieblingsfloskeln. „Es ist normal“, betonte er, „dass sich die Fans aufregen nach Spielen wie in Wolfsburg oder zuletzt auswärts in Barcelona.“ Nach Demontagen wie einem 1:5 beim größten nationalen Titelrivalen. Nach einem weltweit registrierten, ehrenrührigen 0:4 bei Barca. Da taugt eben auch ein akzeptables 1:1 nicht wirklich zur Rehabilitation. „Ich habe Verständnis, dass die Fans sauer sind auf mich, auf den Trainer“, erklärte Klinsmann.
Die uneingeschränkte Unterstützung seiner Bosse hat der Cheftrainer offenbar auch nicht mehr. Warum sonst sollte Manager Uli Hoeneß zu den Schmähgesängen nur sagen: „Ich kann das nur zur Kenntnis nehmen – und mehr nicht“?
Und so redete Klinsmann noch ein bisschen über die neue Nummer eins im Tor, Routinier Butt: „Ein Trainer muss entscheiden, wer im Tor steht – und Jörg macht einen guten Job, er hat die bessere Ausstrahlung und die Ruhe, aber wir bauen nach wie vor auf den Michael.“ Wer’s glaubt...
Dann erzählte er noch von verpassten Möglichkeiten am Dienstagabend. „Im Fußball ist ja immer alles möglich. Wenn nach dem 1:0 der Elfmeter gegen Luca Toni gegeben wird, dann steht es plötzlich 2:0 – und dann will ich mal wissen, was im Stadion losgewesen wäre“, meinte Klinsmann – und dachte wohl daran, dass dann vielleicht keiner nach Hitzfeld-Gerland-Matthäus-Scholl und sogar nach Udo Lattek, dem Mann der vergangenen Mittwoch geweint hat, gerufen hätte.
Dann entschuldigte er das Aus gegen die übermächtigen Katalanen noch mit den zahlreichen Ausfällen. „Wenn die Verletzungen auf einen einhageln, dann stehst du blöd da“, sagte Klinsmann, „wer uns am meisten gefehlt hat, ist Miro Klose, den kannst du da nicht ersetzen. Ich habe mir schon gedacht: Wehe, wenn dem Luca was passiert, dann stehen wir gegen Barcelona ohne Stürmer da.“
So steht Klinsmann womöglich am Saisonende ohne Titel da. Meister kann er noch werden – und darauf will er sich nun fixieren. „Es ist wichtig, dass wir Meister werden“, sagte der Coach, „es ist die Erwartung beim FC Bayern, dass man Meister wird.“ Worauf Franz Beckenbauer lapidar sagte: „Ach was, es ist so viel schief gelaufen in dieser Saison, da wäre ich persönlich gar nicht so sauer oder traurig, wenn wir nicht Meister werden. Allerdings ist die Champions-League-Qualifikation wichtig. Ich möchte nicht wieder nach Braga! Da gehört der FC Bayern nicht hin!“
Klinsmann jedoch weiß, dass er den Titel braucht. Auch, um sich mit den Fans zu versöhnen: „Wir erwarten, dass wir am Schluss auf dem Marienplatz stehen – und dass die Fans dann zufrieden sind.“
J.Schlosser, R.Keck