Klinsmann: Fehler im System
Ordentlich spielen, trotzdem verlieren – so droht der FC Bayern die Meisterschaft zu verpassen. Es hakt dabei auch an Dingen, die womöglich unterschätzt wurden.
MÜNCHEN Montag hatten die Bayern-Profis frei. Tut ja auch gut, die Kollegen mal einen Tag nicht zu sehen. So glätten sich auch etwaige gegenseitige Schuldzuweisungen nach dem 1:2 bei Hertha BSC, der zweiten Rückrundenpleite.
Doch worin lag das Problem bei den sehr ähnlichen Niederlagen – der FC Bayern ist besser und verliert – in Berlin und in Hamburg (0:1)? Sind es die unerklärlichen Fehler der Hochrisiko-Verteidigung? Ist es die Ideenlosigkeit im Spielaufbau? Oder doch die fahrlässige Chancenauswertung?
Das sind Folgeerscheinungen. Die Gründe liegen tiefer. Noch hat es Trainer Jürgen Klinsmann nicht geschafft, aus all den Einzelkönnern eine funktionierende Mannschaft zu bilden, die jeden Tag irgendetwas besser macht. Die Spielidee ist nicht erkennbar – trotz des Ergebnisaufschwungs dank Erlebnisfußballs von Mitte Oktober bis Weihnachten. Es stecken ein paar Fehler im System:
DIE FESTLEGUNG AUF EINE STAMMELF
Im Grunde ein probates Mittel, um mittels Konstanz und Vertrauen ein eingespieltes Team zu bekommen. Doch in den kommenden englischen Wochen wird es für Jürgen Klinsmann unerlässlich sein, personell zu rotieren. In Berlin merkte man etwa Franck Ribéry an, dass drei Spiele in sieben Tagen (Dortmund, ein Länderspiel mit Frankreich gegen Argentinien, Hertha) bei seinem Laufpensum grenzwertig sind. Hamit Altintop, Tim Borowski, Daniel van Buyten und Andreas Ottl drängen ins Team – doch sie sind völlig ohne Spielpraxis.
DIE FRAPPIERENDE LINKSLASTIGKEIT
„Dass unsere rechte Seite nicht gleich stark ist wie unsere linke, ist normal, aber im Moment ist die Diskrepanz sehr groß“, bemängelte Manager Uli Hoeneß. Es stimmt. Christian Lell und Bastian Schweinsteiger auf rechts fallen gegenüber Philipp Lahm und Franck Ribéry auf links zu sehr ab. Die Gegner wie HSV oder Hertha doppeln ihre rechte Seite und stellen Bayerns Stärke kalt. Lell hatte seinen „Blackout“ (Hoeneß) in Berlin, verschuldete ein Gegentor und wird wohl gegen Köln von Massimo Oddo ersetzt. Aber auch Schweinsteiger bekam vom Manager Saures: „Er muss sich Gedanken machen. Es kann nicht sein, dass die Gegner uns nach einer 1a- und 1b-Seite sortieren. Wenn wir so ausrechenbar sind, müssen wir uns etwas einfallen lassen.“ Wir? Klinsmann!
DER VERKAUF VON MARCELL JANSEN
Es war sicherlich verlockend, für einen Linksverteidiger acht Millionen Euro Ablöse zu bekommen. Nachvollziehbar auch das Argument, Jansen (23) habe auf der Position des Linksverteidigers einfach keine Chance gegen Weltklassemann Lahm. Mit dem Verkauf aber wurde Lahm auf links zementiert – obwohl er immer wieder betont: „Ich würde natürlich lieber rechts spielen, da ich dort besser wäre.“ Als Klinsmann in Berlin den schwachen Lell rausnahm, stellte er Zé Roberto nach hinten links und Lahm auf rechts. Womit er Zé seine Offensivstärke nahm.
DAS ABSERVIEREN VON PODOLSKI
Schon seit Saisonbeginn war klar, dass Lukas Podolski unter Klinsmann keine Chance haben würde. Luca Toni und Miroslav Klose, die beiden „Platzhirsche“ (Klinsmann) sind gesetzt – und machen Tore. Poldi schmollte, verlor Form und Lust, verletzte sich, erkrankte auch noch. Mittlerweile ist er verkauft, mit dem Kopf bereits bei seinem Wunschklub 1. FC Köln. Ob er nun wirklich noch den Antrieb und die Lust hat, Klinsmann als Joker in den nächsten Monaten zu helfen – ausgerechnet Klinsmann?
DIE LEIHIDEE MIT LANDON DONOVAN
Für den US-Stürmer eine gute Sache. Er darf sich über zehn Wochen bei Bayern für einen Vertrag empfehlen. Die Krux für Klinsmann: Er muss Donovan bis Mitte März spielen lassen, damit der sich zeigen kann. In Berlin kam Donovan für Toni – obwohl der Amerikaner erst am Freitag von einem Länderspiel aus Columbus/Ohio eingeflogen war. Hat sich Klinsmann mit dieser Personalie in Zugzwang gebracht?
Patrick Strasser