Klinsmann: Der reformierte Reformer

Die Einschätzungen der Bayern über ihren Trainer lassen nur einen Schluss zu: Er hat sich gehörig umstellen müssen, bis endlich so viel Klinsmann im FC Bayern gesteckt hat wie umgekehrt.
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So jubelten die Bayern-Bosse zuletzt zjm Ende der Hinrunde (v.li.): Martin Vasquez, Uli Hoeneß, Walter Junghans und Chefcoach Jürgen Klinsmann
Rauchensteiner/Augenklick 2 So jubelten die Bayern-Bosse zuletzt zjm Ende der Hinrunde (v.li.): Martin Vasquez, Uli Hoeneß, Walter Junghans und Chefcoach Jürgen Klinsmann
Ende September sah die Welt für Klinsmann und die anderen Bank-Angestellten beim FC Bayern wesentlich düsterer aus.
Rauchensteiner/Augenklick 2 Ende September sah die Welt für Klinsmann und die anderen Bank-Angestellten beim FC Bayern wesentlich düsterer aus.

MÜNCHEN - Die Einschätzungen der Bayern über ihren Trainer lassen nur einen Schluss zu: Er hat sich gehörig umstellen müssen, bis endlich so viel Klinsmann im FC Bayern gesteckt hat wie umgekehrt.

Eingeknickt? Die eigene Philosophie verleugnet? Klein beigegeben? Nicht doch. Erst durch seine Bereitschaft zum Wandel hat Trainer Jürgen Klinsmann wahre Größe gezeigt. Das glaubt zumindest Uli Hoeneß. „Im Leben macht es nie Sinn, wenn es mal schwierig wird, seinen Kopf um jeden Preis durchzusetzen“, sagt Bayerns Manager nun in „Sport-Bild“, „große Leute haben sich seit jeher dadurch ausgezeichnet, dass sie in diesen Phasen Dinge verändert haben.“

Der Höhepunkt dieser Phase war bei Klinsmann Mitte Oktober erreicht. Der ruhmreiche Rekordmeister FC Bayern dümpelte auf Rang elf. Damals begriff sich Klinsmann als wissenschaftlicher Reformer und das neu geschaffene Leistungszentrum des FC Bayern als sein Labor. Doch seine Experimente blieben – einem überambitionierten Chemielehrer gleich – ebenso gefährlich wie erfolglos: Die Formel 3-5-2 ging nicht auf, Azubi Rensing flog alles um die Ohren, es krachte in der hinteren Reihe, Klassensprecher van Bommel erhielt mehrfach Bankstrafen, und Streber Zé Roberto bekam es mit der Angst zu tun: „Der Respekt, den die anderen Teams vor uns haben, den wir uns über Jahre hinweg erarbeitet haben, steht auf dem Spiel. Wir Spieler sorgen uns.“

Was der Brasilianer aussprach, hat sich wohl so mancher Chef beim FC Bayern gedacht. Ein Blick auf den neben Klinsmann auf der Bank leidenden Hoeneß genügte, um diesen Eindruck zu gewinnen. Der Reformer musste reformiert werden. Eine Aufgabe, derer sich Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge annahmen. Mit beiden Bossen traf sich Klinsmann mehrmals die Woche im Casino an der Säbener Straße zum Essen. Portionsweise wurde er auf Kurs gebracht, auf Erfolgskurs.

Die Rückkehr zum 4–4-2, das Ende der Heimschläfer-Regelung, die Wiederaufstellung van Bommels, die Stärkung der Defensive – all dies hat Klinsmann selbstverständlich selbst entschieden. Oder wie Hoeneß nun sagt: „Jürgen hat seinen Stil zur rechten Zeit angepasst und sich flexibel gezeigt, ohne dabei sein Gesicht zu verlieren.“ Und siehe da, Zé Robertos apokalyptisches Szenario ist Geschichte, der FC Bayern Tabellenzweiter, Besieger des direkten Rivalen Hoffenheim und steht im Achtelfinale der Champions League (wird am Freitag ausgelost).

Die Spieler sorgen sich nicht mehr, sie sind begeistert von Klinsmann. In der „Süddeutschen Zeitung“ lässt Bastian Schweinsteiger verlauten, dass der neue Trainer „super motivieren“ könne und über „das Sieger-Gen“, also das Bayern-Gen, verfüge. „Natürlich ist er ein anderer Typ als der Gentleman Hitzfeld“, so der Nationalspieler, „Strategie, Taktik, Gefühlslage, da war Hitzfeld erfahrener, aber in den letzten drei Monaten hat Jürgen Klinsmann viel dazugelernt.“ Philipp Lahm sieht das ähnlich. Mehrmals sagte Lahm zuletzt, dass Klinsmann die Größe besessen habe, die Mannschaft nach ihrer Meinung zu fragen. Es zeichne den Coach aus, dass er Dinge neu mache, aber bei Bedarf eben auch zurückgehe.

Zurück zum Erfolg. Jetzt steckt ebenso viel FC Bayern in Klinsmann wie Klinsmann im FC Bayern. Und Hoeneß genießt es wieder, auf der Bank neben dem Reformierten zu jubeln.

Jochen Schlosser

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