Klinsmann, der Ranschmeißer

Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann jubelt, als wäre wieder WM, nennt Hoeneß „meinen wichtigsten Begleiter“, verspricht den Fans den Titel und gibt der Mannschaft zwei Tage frei
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Abklatschen: Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann bejubelt mit Manager Uli Hoeneß das 1:0 durch Luca Toni bei Arminia Bielefeld.
dpa Abklatschen: Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann bejubelt mit Manager Uli Hoeneß das 1:0 durch Luca Toni bei Arminia Bielefeld.

BIELEFELD - Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann jubelt, als wäre wieder WM, nennt Hoeneß „meinen wichtigsten Begleiter“, verspricht den Fans den Titel und gibt der Mannschaft zwei Tage frei

Wohin? Wohin nur? Erst waren es nur die Arme. Was tun in der Euphorie? Jürgen Klinsmann ließ sie wild rudern, feierte nicht nur einarmig wie sonst. Schließlich war der ganze Körper dran – und wohin damit? Als hätte Uli Hoeneß einen Magneten im Anorak, zog es Klinsmann hin zum Manager. Sie packten sich, sie drückten sich, sie herzten sich. Wange an Wange, und am Boden trafen sich die Steine, die von den Herzen gefallen waren.

Hier ist nicht vom 34. Spieltag die Rede, nicht vom Meisterschaftstreffer gegen Konkurrent VfB Stuttgart – nein, lediglich vom schnöden 1:0 durch den Kopfball von Luca Toni bei Arminia Bielefeld, einem Abstiegsaspiranten. Doch die Erleichterung über ein flehentlich herbeigesehntes Tor kann oft viel schöner sein als nach einem überraschenden Treffer. „Es ist viel von Jürgen abgefallen“, sagte Hoeneß.

Die Frage aber war: Von wem war mehr abgefallen? Von Hoeneß, der die Saison unbedingt noch mit dem Coach zu (einem guten) Ende bringen möchte, um dann Bilanz zu ziehen und sich möglicherweise einvernehmlich zu trennen? Oder von Klinsmann, der auch von der kleinen Bayern-Fangruppe in Bielefeld mit „Klinsmann raus!“-Rufen empfangen worden war und der das 1:0 derart enthusiastisch feierte, dass ZDF-Feldreporter Töpperwien sich schon wieder bei der WM wähnte?

Am Freitag hatte Klinsmann davon gesprochen, in seiner ersten Saison in München alle Ziele erreicht zu haben. Die Fakten: In der Champions League und im DFB-Pokal kam das Aus im Viertelfinale – und in der Meisterschaft ist von Platz 1 bis 5 noch alles drin.

„Der Uli und ich hätten die Kugel am liebsten selbst reingemacht und über die Linie gedrückt, aber die Jungs lassen uns ja nicht mehr mitspielen“, sagte Klinsmann später und lachte mit fast kindlicher Freude. Mit ernster Miene ergänzte er: „Der Erfolg nimmt etwas den Druck bei uns raus.“ Er kämpft mit einer bemerkenswerten Leidenschaft und einem antrainierten Tunnelblick um seinen Job – an allen Fronten. Klinsmann, der Ranschmeißer.

An Hoeneß: Im ZDF sagte Klinsmann: „Der Manager ist mein wichtigster Begleiter in diesem turbulenten Jahr. Er hält zu mir, ist immer an meiner Seite.“ Nicht nur als Sitznachbar auf der Bank und Ratgeber während der Spiele. Denn obwohl Hoeneß anfangs, als die Idee an Weihnachten 2007 aufkam, Klinsmann aus den USA nach München zu holen, eher skeptisch war, steht er ihm nun längst nicht so distanziert gegenüber wie Vorstandskollege Karl-Heinz Rummenigge. Klinsmann spürt, dass Hoeneß der einzige Schlüssel zu einer saisonübergreifenden Zusammenarbeit sein könnte.

An die Mannschaft: Klinsmann verteilte in Bielefeld ein Kollektivlob und hätte womöglich den Rückflug verpasst, wenn ihn die Reporter noch auf jeden einzelnen Spieler angesprochen hätten. Philipp Lahm meinte zum Verhältnis Spieler/Trainer: „Es ist gut. Das hat man heute gesehen. Da war kein einziger dabei, der irgendwie rumgestanden ist oder was auch immer.“ Die frohe Botschaft gab’s sofort nach Schlusspfiff: Frei bis Dienstag, 16 Uhr. Klinsmann: „Die Mannschaft hat jetzt zwei Tage frei, das haben sich die Jungs mehr als verdient.“

An die Fans: In fast jedem Statement betont Klinsmann, wie sehr er sich Freude würde, mit den Fans am 23. Mai die Meisterschaft auf dem Marienplatz zu feiern. Nach dem 1:0 in Bielefeld betonte er: „Wir bleiben dran. Wir wollen Meister werden.“ Er versprach gar: „Und wir werden Meister.“ Wie so viele Trainingseinheiten zuletzt an der Säbener Straße wird auch die Dienstags-Einheit öffentlich sein. Der 44-Jährige versucht, die Gunst der Fans wiederzugewinnen. Was nicht so einfach sein dürfte.

Mit der Mannschaft nach Abpfiff in die Fankurve zu gehen, das hat sich Klinsmann nicht getraut. Da war ihm Hoeneß’ Wange lieber.

Patrick Strasser

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