Klinsmann - der Hürdenläufer
Vor dem Pokal-Viertelfinale bei Bayer Leverkusen wird mal wieder deutlich: Klinsmann hat nicht nur auf dem Rasen mit Hindernissen zu kämpfen.
MÜNCHEN Man könnte Jürgen Klinsmann mit Liu Xiang vergleichen. Der chinesische Hürdenläufer war fest für Olympia-Gold gebucht, Hoffnungsträger eines ganzen Volkes, sollte die lang ersehnte Veränderung zum Guten und Schönen anschieben. Er scheiterte verletzt im Vorlauf. So schlimm ist es bei Klinsmann nicht. Doch der Erwartungsdruck ist ähnlich hoch – mit dem Unterschied, dass für einen Trainer des FC Bayern nie nach zehn Hürden Schluss ist, dass er nicht weiß, wieviele Hürden er überhaupt nehmen muss.
Nach Lissabon hatte Manager Hoeneß von drei Auswärtshürden gesprochen. Lissabon (5:0) – mit Bravour drüber. Bremen (0:0) – fast gerissen. Und nun Leverkusen im DFB-Pokal-Viertelfinale (20.30 Uhr, Düsseldorf, ARD). „Ein sehr sehr spielstarkes Team“, sagt Klinsmann, „da müssen wir von Anfang an Druck machen und über den Kampf reinkommen.“ Die Diskrepanz zwischen Bundesliga (ein Sieg aus den letzten sechs Spielen) und den Auftritten in DFB-Pokal (unbesiegt seit Dezember 2006) und Champions League (fünf Siege, zwei Unentschieden) ist Klinsmann bewusst: „Es ist fünf vor zwölf, das ist uns allen klar. Die Jungs haben einen unglaublichen Ehrgeiz, da was zu korrigieren. In der Bundesliga war hier und da ein Schuss Sorglosigkeit, ein Schuss Überheblichkeit dabei. In Hamburg, gegen Köln: Da haben wir uns das ein oder andere Ding selbst reingebockt.“ Er bleibt Optimist, logisch: „Wir wollen in allen Wettbewerben bis zum Schluss dabei sein.“ Nur: „Die gleiche Spannung in allen drei Wettbewerben aufrechtzuerhalten – da reden wir schon lange dran hin.“
Es sind ja nicht nur die gegnerischen Teams, die es zu überwinden gilt. Im Umfeld eines deutschen Rekordmeisters tun sich jeden Tag Hürden auf, mit denen nicht zu rechnen war. Da sind Fremdeinflüsse wie Ribérys Berater Alain Migliaccio, der mal wieder einen Transfer zum FC Barcelona ins Spiel bringt. Aber auch Hausgemachtes.
Dass Franck Ribéry sich nach dem Bremen-Spiel über mangelnde Unterstützung aus der Mannschaft beklagte und von Klinsmann indirekt Recht bekam, interpretiert Präsident Franz Beckenbauer so: „Es ist immer das Problem, wenn ein Spieler weg will und dem Verein die Pistole auf die Brust drückt, dann hat der wenig Chancen. Bei Ribéry kann man schon den Eindruck gewinnen, dass es sich um gezielte Äußerungen handelt. Die Bayern sind seit langem abhängig von ihm.“
Bei Klinsmann klingt das anders: „Das ist ganz normal, dass da mal Frust ist auf dem Spielfeld. Das ist nachvollziehbar, aber nach 20 Sekunden vergessen. Ich bin tausendprozentig sicher, dass er bleibt, weil er Vertrag bis 2011 hat und wir ihn noch länger binden wollen.“ Es soll jedoch Spieler geben, die Verträge einfach nicht erfüllen.
Wen sich Ribéry gegen Bayer in die Elf wünscht, blieb unklar. Spezl van Buyten ist wieder fit, anders als Lahm (Grippe) und Toni (Achillessehnenbeschwerden).
Genau da lag auch das Problem von Liu Xiang, dem anderen Hürdenläufer. Er musste unters Messer. Klinsmanns Befund ist noch offen.
Thomas Becker