Klaus Fischer im AZ-Interview: "Ich bin von Sané enttäuscht"
München - AZ-Interview mit Klaus Fischer: Die Schalke-Legende (71) steht mit 268 Toren auf Rang drei der ewigen Bundesliga-Torjägerliste. Mit der deutschen Nationalelf nahm er an zwei Weltmeisterschaften (1978 und 1982) teil.
AZ: Herr Fischer, nach dem glücklichen Weiterkommen gegen Ungarn haben die deutschen Nationalspieler bereits direkt nach Abpfiff in den Optimismus-Modus umgeschaltet. Bundestrainer Joachim Löw ist sogar felsenfest überzeugt, dass das Achtelfinale in Wembley gegen England "ein ganz anderes Spiel" wird. Woher kommt diese schwarz-rot-goldene Zuversicht?
KLAUS FISCHER: Ich denke, dass er mit dieser Einschätzung schon richtig liegt. Wenn ein Gegner 30 Meter vor dem eigenen Tor so kompakt steht wie die Ungarn, tut sich jede Mannschaft schwer. Aber England wird sich nicht hinten reinstellen, sie werden mitspielen. Gerade im eigenen Stadion müssen sie kommen - und deshalb werden sich für die deutsche Mannschaft Räume öffnen. Aber dann muss bei eigenem Ballbesitz bei uns die Post abgehen, wenn wir dann wieder nur quer und zurück spielen, haben sich die Engländer längst wieder formiert.
Fischer kennt Sané als anderen Spieler
Wenn gerade die Geschwindigkeit ein deutscher Trumpf in diesem Spiel sein könnte, müsste Löw eigentlich erneut auf Leroy Sané setzen. Schnell ist der Bayern-Star ja auf jeden Fall...
Ist er, wenn er genügend Platz hat... Aber von Leroy bin ich ehrlich gesagt bislang schon etwas enttäuscht.
Warum?
Ich kenne ihn als ganz anderen Spieler. Was war der Junge damals als 18-Jähriger bei meinem Herzensverein Schalke für eine Augenweide! Diese Geschwindigkeit, diese Dribblings, ein toller Abschluss mit seinem linken Fuß, einfach fabelhaft! Und heute: Fehlpässe ohne Ende, Flanken von einer Seite zur anderen, aber das Tor steht doch in der Mitte. Teilweise hat man sogar das Gefühl, als ob er beleidigt wäre. Er ist in der Nationalmannschaft noch nicht angekommen - und auch bei Bayern hatte ich mir eigentlich mehr von ihm erwartet. Da muss jetzt mehr kommen.
Klaus Fischer: "Uns fehlt ein Mittelstürmer"
England hat in der Vorrunde alle drei Spiele zu Null gewonnen. Wie lässt sich diese massive Abwehr überwinden?
Mit Harry Maguire oder John Stones haben die Engländer Jungs da hinten drin, die sind teilweise 1,95 Meter groß. Wenn die mal stehen, hast du eigentlich keine Chance mehr. Die musst du in der Bewegung erwischen. Mit Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Thomas Müller hättest du ja Spieler, die die nötige Aggressivität mitbringen, im Mittelfeld das Heft in die Hand nehmen und die schnellen Spitzen vorne einsetzen können. Aber ich befürchte, dass wir gegen England Probleme bekommen werden, denn uns fehlt ein Mittelstürmer. Sané, Serge Gnabry, Timo Werner oder Kai Havertz, diese Jungs können diese Position ganz vorne einfach nicht spielen. Hätte Deutschland einen Robert Lewandowski, bräuchten wir uns keine Sorgen zu machen.
Sie fordern gegen England also den Bayern-Block fürs Mittelfeld. Für Toni Kroos und Ilkay Gündogan würde das jedoch bedeuten, dass mindestens einer von beiden aus der Startelf fliegen würde. Glauben Sie, dass Jogi Löw zu dieser Umstellung bereit ist?
Ich hoffe es, denn beide haben sich gegen Ungarn ja nicht gerade für einen weiteren Startelfeinsatz empfohlen. Die wirkliche Klasse eines Trainers ist es doch, zu erkennen, dass er sein System auch mal ändern muss - für die Mannschaft und für den Erfolg.