Klaus Augenthaler über die Final-Pleite 1982: "Zwei Träger Bier im Wohnwagen"

München - AZ-Interview mit Klaus Augenthaler: Der Fürstenzeller (64) wurde als Libero beim FC Bayern zur Legende. Mit der deutschen Nationalelf holte er 1990 den WM-Titel in Rom.
AZ: Herr Augenthaler, am Samstag steht das Champions-League-Finale zwischen dem FC Liverpool und Real Madrid an. Sie haben einst mit dem FC Bayern zwei Endspiele im Europapokal der Landesmeister erreicht. 1987 waren sie bei der 1:2-Pleite in Wien gegen Porto wegen einer Verletzung nicht dabei, fünf Jahre zuvor erlebten Sie das 0:1 gegen Aston Villa hautnah mit. Diese Niederlage in Rotterdam jährt sich am Donnerstag zum 40. Mal. Wie sind heute Ihre Erinnerungen daran?
KLAUS AUGENTHALER: Witzig, dass Sie danach fragen. Erst kürzlich habe ich mir ein paar Szenen des Spiels auf YouTube angeschaut.
Was keinen Spaß gemacht haben dürfte...
...nein. Weil es eines unserer besten Spiele in jener Saison war. Die Engländer sind nur zwei, drei Mal vor unser Tor gekommen. Wir haben sie dominiert, waren eindeutig besser, hatten mehrere hundertprozentige Chancen – ich zwei davon, eine per Kopf. Es war wie verhext.
Dazu kommt, dass sich Villas Stammtorhüter nach zehn Minuten verletzt auswechseln lassen musste, der nahezu unbekannte und unerfahrene Ersatzkeeper Nigel Spink hielt fast alles.
Das wusste ich gar nicht mehr oder habe es verdrängt. Wohl besser so.
Augenthaler: "Von Csernai habe ich einen Riesenrüffel bekommen"
In der 67. Minute drückte Peter Withe den Ball zum Siegtreffer für die Briten über die Linie – er war ausgerechnet Ihr Gegenspieler. Und das, obwohl Sie unter Trainer Pal Csernai doch als Libero agiert haben?
Stimmt, wir haben Mann gegen Mann verteidigt und ich war zuständig, wenn sich freie Zonen ergaben. Das Tor wurde mir angerechnet, weil ich eben in der Nähe war. Von Csernai habe ich einen Riesenrüffel bekommen. Für mich war die Niederlage doppelt bitter, weil es eines der größten Spiele meiner Karriere war. Ich bin 90 Minuten lang marschiert.

Aston Villa war zwar englischer Meister, hatte dennoch zur Überraschung vieler Experten das Endspiel erreicht. Haben Sie damals die Aufgabe zu leicht genommen?
Nein, das nicht. Aber Aston Villa erschien nicht so stark wie Liverpool (1977, '78, '81, d.Red.) oder Nottingham Forest (1979, '80, d.Red.), die in den fünf Jahren zuvor den Landesmeisterpokal gewonnen hatten. Villa sollte eine machbare Aufgabe sein, wir waren ziemlich siegessicher.
Nach den drei Triumphen 1974 bis '76 war Rotterdam die erste Finalpleite in der Geschichte des FC Bayern überhaupt auf europäischem Parkett. Doppelt und dreifach bitter?
Ich habe im Oktober 1977 mein Bundesliga-Debüt gegeben, es gab einen Umbruch. Gemeinsam mit unserem Torjäger Karl-Heinz Rummenigge und Paul Breitner, der 1978 zurückkehrte, wollten wir unseren Weg gehen. Es entstand der "FC Breitnigge", sie waren die Leader, haben uns geführt. 1980 sind wir nach sechs Jahren Durststrecke erstmals wieder Meister geworden. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.

Nach der Finalniederlage ging's zum Frustsaufen ins Hotelzimmer
Es folgte auch 1981 die Schale und ein Jahr später wenige Wochen vor Rotterdam der Erfolg im DFB-Pokal. Umso bitterer war die Pleite gegen Aston Villa.
Im Hotel war auf den Zimmern Frustsaufen angesagt, das Mobiliar hat etwas gelitten.
Gab es kein Bankett?
Doch, aber wir Spieler sind schnell verschwunden, haben auf den Zimmern Karten gespielt und den Roomservice kommen lassen – die mussten auch ganz schön marschieren (lacht).

Sie mussten mit Bernd Dürnberger zur Dopingprobe. Das soll etwas gedauert haben.
Na ja, vielleicht eine Stunde. Nach dem WM-Finale in Rom ging bei mir gar nichts, das dauerte vier Stunden. Da gab's auch nur Wasser. In Rotterdam mussten wir improvisiert in einem Wohnwagen zur Dopingprobe, aber sie haben uns zwei Träger Bier, Limo und Wasser hingestellt. Die zwei Engländer waren schneller fertig. Aber ich war froh, dass ich so nicht die miese Stimmung in unserer Kabine miterleben musste.
Sie waren lange Zeit Rekordmeister beim Rekordmeister. Wie sehr wurmt es Sie, dass der Henkelpott in Ihrer langen Titelliste fehlt?
Ach, ich bin zufrieden, hatte dennoch eine super Karriere, eine super Zeit. Mit der Nationalelf bin ich Weltmeister und Vizeweltmeister geworden, mit Bayern sieben Mal Meister. Aber natürlich hätte sich der Titel Europapokalsieger schon gut gemacht in meiner Vita, aber es sollte eben nicht sein.