Interview

Klaus Augenthaler: "Leverkusen ist ein sehr unangenehmer Gegner"

Das Spiel der Bayern gegen Bayer ist momentan ein Krisen-Duell. In der AZ spricht Bayern-Legende Augenthaler, der zwei Jahre Trainer in Leverkusen war, über die Partie und Trainer Nagelsmann.
von  Ruben Stark
"Ich glaube nicht, dass das ein Spaziergang wird", sagt Klaus Augenthaler über das Spiel der Bayern um Musiala (M.) gegen Leverkusen
"Ich glaube nicht, dass das ein Spaziergang wird", sagt Klaus Augenthaler über das Spiel der Bayern um Musiala (M.) gegen Leverkusen © imago/MIS

München – AZ-Interview mit Klaus Augenthaler: Der Weltmeister von 1990 wurde mit dem FC Bayern als Spieler sieben Mal Meister. Nach seinem Karriereende arbeitete er als Trainer im Verein, von 2003 bis 2005 war er dann Chefcoach bei Bayer Leverkusen.

Klaus Augenthaler: "Man muss einfach die Chancen reinmachen"

AZ: Herr Augenthaler, normalerweise könnte das Duell Bayern gegen Bayer Leverkusen am letzten Wiesn-Wochenende ein richtiger Bundesliga-Hit sein, jetzt es ist aber eher ein Krisenduell.
KLAUS AUGENTHALER: Beide stehen in der Tat nicht da, wo sie stehen wollen.

Julian Nagelsmann hat ausgiebig analysiert. Wo muss er ansetzen?
Gegen Gladbach musst du 5:1 gewinnen, es geht aber 1:1 aus. Da kann Nagelsmann analysieren, was er will, da waren drei Situationen Mann gegen Mann – auch beim letzten Spiel war das so. Bei Union Berlin, die stehen nicht umsonst so gut da, kann man schon mal mit einem Remis nach Hause fahren. Vor dem Stuttgart-Spiel und auch bei Augsburg war unter der Woche Champions League, da ist es schwierig. Du musst dann einfach so Spiele auch über die Bühne bringen, die nicht gut sind, das hat nicht geklappt.

Reicht das als Erklärung?
Nein, man nimmt es ja auseinander. Man muss einfach die Chancen reinmachen. Zum Schluss, wenn das Ergebnis steht, ist immer jeder schlauer. Ich habe vor Wochen gesagt, wenn man nach sieben Spielen auf Rang fünf steht und hat die Tore nicht gemacht, weint man Lewandowski nach. Aber ich bin nach wie vor der Meinung – und das sind viele –, dass es richtig war, was Bayern gemacht hat, ihn gehen zu lassen.

Der Ur-Bayer am Ammersee: Klaus Augenthaler, Weltmeister von 1990, der am Montag seinen 65. Geburtstag gefeiert hat.
Der Ur-Bayer am Ammersee: Klaus Augenthaler, Weltmeister von 1990, der am Montag seinen 65. Geburtstag gefeiert hat. © Sven Hoppe/dpa

FC Bayern: Wieder Meister – da fehlt die Spannung

Man muss die Dinge also nicht grundsätzlich hinterfragen?
Ich sehe da kein großes Problem. Du hast sechs Punkte in der Champions League, das passt. Ob du jetzt zehn- oder elfmal Meister wirst: Ich habe schon vor Längerem gesagt, dass es schön wäre, wenn kurz vor Saisonende mal zwei oder drei Teams noch die Chance auf den Titel hätten. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich freue mich, wenn Bayern Meister wird. Aber mit Spannung wäre es auch für die Spieler schöner. Ich kann mich erinnern: Wir waren 1986 nie auf dem ersten Platz bis zum letzten Spieltag und dann wurden wir Meister.

Was lässt sich vom Verhalten der Mannschaft ableiten?
Das Untereinander und Miteinander ist schon gut, die Harmonie ist nicht schlecht. Klar will jeder spielen, klar ist der eine oder andere mal sauer, wenn er meint, es ist etwas ungerecht oder er spielt zu wenig. Aber wenn ich bei Bayern einen Vertrag unterschreibe, muss ich wissen, dass ich große Konkurrenz habe. Dann muss ich einfach mehr Gas geben.

Hat Sie die erste enttäuschende Saisonphase bei Leverkusen auch so überrascht?
Absolut. Ich habe die Leverkusener vor der Saison mit vorn eingeordnet - unter den ersten Drei oder Vier. Wenn ich aber sehe, dass sie zu Hause gegen Freiburg verlieren, gegen Augsburg, dann aber in Mainz gewinnen: Das geht ziemlich hoch und runter, fast wie im Fahrstuhl. Aber auch wenn Leverkusen mit fünf Punkten nur auf Platz 15 ist: Ich glaube nicht, dass das ein Spaziergang wird. Leverkusen ist ein sehr unangenehmer Gegner. Bayern muss sich auf jeden Fall strecken.

Wie sehen Sie Leverkusens Top-Stürmer Patrik Schick? Er wurde im Sommer als möglicher Lewandowski-Ersatz gehandelt.
Die Frage hab ich mir auch gestellt, als der Lewandowski weg war: Wäre Schick nicht etwas für Bayern? Ich finde ihn einen guten Spieler und er ist 1,90 Meter groß. Da hab ich auch die Option, wenn ich spät im Spiel zurückliege: Jetzt spiele ich lange Bälle auf den Schick und gehe dann auf den zweiten Ball. Er wäre eine Möglichkeit, eine theoretische. Aber ich bin in keiner Verantwortungsposition, um zu sagen: Bayern würde ein Schick von Leverkusen guttun.

Klaus Augenthaler: "Du bist vom Ergebnis abhängig" 

Ist es richtig, dass sie in Leverkusen bei allen Diskussionen bisher zum Trainer Gerardo Seoane stehen?
Ich meine, das ist das Geschäft. Wenn du unterschreibst als Trainer für zwei, drei Jahre und gutes Geld verdienst, bist du ab dem ersten Spieltag vom Ergebnis abhängig. Und davon, was die Vereinsführung mit dem Trainer zusammen als Zielsetzung ausgibt. Du bist vom Ergebnis abhängig, obwohl nicht nur der Trainer dazugehört. Der Coach sitzt auf der Bank und ärgert sich dumm und dämlich, wenn die Spieler die Chance nicht nutzen. Aber er kann nix machen.

Kann man eine längere Phase des Misserfolgs auch einfach mal durchstehen?
Es ist fast unmöglich, so eine Phase durchzustehen, weil so viele negative Energien entstehen. Es ist auch bei Bayern so: das weiß Julian Nagelsmann, das weiß der Verein. Wenn man gegen Leverkusen nicht gewinnt oder verlieren sollte, dann wird sich der Wind umwandeln zu einem Sturm.

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