Kein Pardon für Klinsmann

Selbst nach dem hochverdienten 4:0 des FC Bayern gegen harmlose Frankfurter, hagelte es Klinsmann-raus-Rufe.
von  Abendzeitung
Bleiben vorerst noch Banknachbarn: Jürgen Klinsmann (li.) und Uli Hoeneß
Bleiben vorerst noch Banknachbarn: Jürgen Klinsmann (li.) und Uli Hoeneß © dpa

Selbst nach dem hochverdienten 4:0 des FC Bayern gegen harmlose Frankfurter, hagelte es Klinsmann-raus-Rufe.

MÜNCHEN Der Bayern-Fan an sich ist derzeit nicht gut drauf. Jürgen Klinsmann kann es ihm nicht mehr Recht machen. Egal, was er tut, egal, wie das Spiel auch gerade steht. 3:0 hieß es zur Halbzeit gegen Eintracht Frankfurt, als der Trainer des FC Bayern auswechselte: Oddo für Lell. Und was tat der Bayern-Fan: Er pfiff, mit voller Puste. Hauptsache dagegen!

Er hatte von Anfang an nichts anderes getan. Noch vor dem Anpfiff, bei der ansonsten von tosendem Applaus begleiteten Verlesung der Mannschaftsaufstellung, pfiffen sich die Fans beim Namen Klinsmann schon mal warm, schickten noch ein paar entschlossene "Klinsmann-raus!"-Rufe hinterher. Und es waren nicht nur ein paar einzelne, die schrieen - es dürfte eine vierstellige Zahl gewesen sein. Auch während des Spiels, das im übrigen den denkbar günstigsten Verlauf für die Münchner nahm, brandeten die Raus-Rufe immer wieder auf. Irgendwann machte auch der sangesfreudige Gäste-Block mit. Wenn Jürgen Klinsmann derzeit auf einer Fan-Bank einen Kredit beantragen würde, er würde höchstens schief angeschaut werden.

Der Unmut gründet natürlich auf die jüngsten Schlappen, die mit 1:9 Toren zu Buche schlugen. Doch auch die Aufstellung gegen Eintracht Frankfurt sorgte nicht gerade für Vorfreude: Mit nur einer Spitze (Luca Toni) wollte Klinsmann sich aus der Krise schießen lassen. Lukas Podolski musste ebenso auf die Bank wie Keeper Michael Rensing, der eigentlich davon ausgegangen war, dass die Barca-Pause eine einmalige Angelegenheit war. Und so hatte sein Stellvertreter Hans-Jörg Butt die Rensing-Rufe der Fans aus der Südkurve direkt im Nacken.

Trotz all dieser hausgemachten Unbillen lief die Partie wie am viel zitierten Schnürchen. Zwei Minuten und zwanzig Sekunden waren gespielt, als Franck Ribery aus zwanzig Metern aus halbrechter Position abzog - Frankfurts Keeper Oka Nikolov segelte vergebens: 1:0, Saisontor Nummer sieben für den Franzosen. Eine Viertelstunde später glänzte er dann als Vorbereiter, lupfte einen Freistoß auf den linken Fuß von Luca Toni, der den Ball mit 70 Stundenkilometern weiter Richtung Tor beförderte - Ohrenschrauber Nummer elf für den Italiener. Bei einem Eckball in Minute 36 machte dann Nikolov ein Nickerchen, Lucio bedankte sich per Kopf: 3:0. Fröhliche Gesichter bei den Banknachbarn Hoeneß und Klinsmann. Wird alles wieder gut?

Auch in Halbzeit zwei ging alles wieder prima los: Nach drei Minuten steht Luca Toni alleine vor Nikolov, sein Schuss bleibt am Torwart hängen, rollt aber Richtung Linie, wo Bastian Schweinsteiger zum 4:0 abstaubt. Mit einem schnöden 1:0 oder 1:2 tut es der FC Bayern der Spielzeit 2008/09 nicht: entweder so richtig verlieren oder haushoch gewinnen. Auch Breno und Podolski durften dann noch ein halbes Stündchen mittun - was wiederum zu Pfiffen führte, weil außer Lucio auch Publikumsliebling Ribery raus musste. Was er auch macht, der Herr Klinsmann, es ist verkehrt.

Zehn Minuten vor Schluss wird es dann noch mal richtig laut: kein Tor in der Allianz Arena, sondern in Gladbach. Die Borussia gleicht gegen Wolfsburg aus. Der Torschütze: Dante. Schießt er Klinsmann aus der Hölle? Der Rückstand der Bayern zum Tabellenführer beträgt jetzt nur noch einen Punkt. Die Freude währt nicht lange: In Gladbach trifft ausnahmsweise mal weder Dzeko noch Grafite, sondern Sascha Riether. Platz eins rückt für Bayern wieder in relative Ferne. Kurz vor dem Schlusspfiff zeigten die Fans noch mal, was sie von diesem souveränen 4:0 und dem dazugehörigen Übungsleiter halten: wenig bis nichts. Das Spiel endet wie es begonnen hat: mit Klinsmann-raus-Rufen. Pardon wird nicht gegeben.

Die Pfiffe und Rufe haben den Bayern-Coach nicht überrascht, dazu ist er viel zu lange im Geschäft. Seinen Optimismus hat er nicht verloren, das Ziel Meisterschaft hat er fest im Blick. Und auch an der viel beachteten Personalrochade im hintersten Bereich der Mannschaft hält er nun fest: Butt bleibt die Nummer eins, Rensing ist erst mal raus. "Er hat mehr Erfahrung, strahlt die Ruhe aus", sagte Klinsmann - über Butt. Lobte dessen heldenhaften Einsatz in Barcelona, als er von Thierry Henrys Stollen "aufgeschlitzt" (Klinsmann) worden war. Zur Belohnung durfte er gegen Frankfurt jetzt zur Abwechslung mal gemütlich im Kasten stehen. Und da wird er auch bleiben. Klinsmann: "Jetzt ist jedes Spiel ein Endspiel. Da zählt nur noch die Qualität und das nackte Ergebnis." Sätze, die Michael Rensing nicht besonders gefallen werden.

Wie geht's weiter mit dem FC Bayern? Nächsten Samstag wartet Bielefeld, das im Abstiegskampf einen Sieg bitter nötig hat. Ein Spiel, in dem die Bayern und Klinsmann mal wieder nur verlieren können. Oder wie es Lukas Podolski so schön formulierte: "Wir stecken alle gemeinsam, öh, in der Scheiße."

Thomas Becker

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