Kannibalen! Bayern schmecken Siege immer noch
Bissig und gefräßig: Wird der FC Bayern München gereizt, schnappt er zu – wie gegen Manchester United. Den Hunger auf große Titel hat das Team nicht verloren. "Sie haben Herz, Teamspirit", schwärmt Pep Guardiola.
München - Manchester United hat im Viertelfinal-Rückspiel einen entscheidenden Fehler gemacht. Die Engländer sind viel zu früh in Führung gegangen. In Minute 57. Und sie haben damit Bayern viel zu früh erschrocken, aus ihrem Nickerchen seit der Halbzeitpause geweckt. Selbst Schuld!
Wehe, wenn man diese Bayern reizt. Dann werden sie erst richtig gefräßig, dann gibt’s kein Zurück mehr. Mario Mandzukic, Thomas Müller und Arjen Robben stellten auf Halbfinale, vollgepumpt mit Adrenalin – bis in jede Phase des Körpers.
Beim Torjubel konnte man wahre Körperwelten bewundern, lebendige sogar. Die Bayern stellten sich und ihren Hunger, ihre Gier nach Erfolgen selbst aus. Vorbei die Zeiten, als nur vor den Partien das Maul weit aufgerissen wurde – nun beißen sie im Spiel zu, die Bayern-Kannibalen.
Das Triple 2013 hat gemundet. Doch satt sind sie noch lange nicht. Mit dem 3:1 gegen Manchester United zog die Generation Lahm, Müller, Schweinsteiger, Robben, Ribéry & Co. zum vierten Mal innerhalb von fünf Jahren ins Halbfinale der Champions League ein. Lyon 2010, Real Madrid 2012, FC Barcelona 2013 – alle gefressen.
Nun soll am 24. Mai in Lissabon der zweite Pott her in dieser Zeitspanne. Es wäre das ganz große Fressen: Die Titelverteidigung in der Königsklasse ist seit Einführung 1992 noch keinem Team gelungen. Und die Triple-Verteidigung wäre selbstredend auch historisch.
"Die letzten Jahre ist die Entwicklung so, wie wir sie uns vorgestellt und erträumt haben", sagte Kapitän Philipp Lahm, "eben dass wir aus eigener Hand immer weiterkommen können. Egal, auf wen wir treffen."
Real Madrid, Atlético Madrid oder der FC Chelsea heißen die möglichen Halbfinal-Gegner (siehe Seite 27). Wird einer davon einfach nur: das nächste Opfer? Ganz so souverän wie letztes Jahr (2:0 und 2:0 gegen Juventus Turin) überstanden sie diesmal das Viertelfinale nicht. In beiden Spielen gegen Manchester gingen die Bayern in Rückstand, sie brauchen wohl mittlerweile den Kick.
"Die deutschen Leute müssen mir erklären, warum sie immer einen Rückstand brauchen, um sofort zu reagieren", sagte Trainer Pep Guardiola und musste seine Ohnmacht eingestehen: "Ich hatte gar keine Zeit, meinen Spielern nach dem überragenden Tor von Evra etwas zu sagen."
Nach 69 Sekunden stand es 1:1 durch das Kopfballtor von Mandzukic. Der kroatische Mittelstürmer pflügte sich durch das Spiel nach der Sammer-Maxime („Wir müssen täglich arbeiten als gäbe es kein Morgen!“) und das obwohl ihm kommendes Jahr Dortmund-Stürmer Robert Lewandowski vorgesetzt wird.
Ist Mandzukic als vorderster Attackierer das kämpferische Vorbild, gibt Thomas Müller den X-Faktor. Unberechenbar, unkontrollierbar. "Die Mannschaft hat einen Super-Charakter. Ich kenn’s nicht anders", sagte der Torschütze zum 2:1 und fügte hinzu: "Wichtig ist, dass die Mannschaft in großen Spielen funktioniert." Eben: Wenn der große Hunger kommt.
Für den steht auch Arjen Robben, der Schütze des 3:1. "Das sind die Spiele, dafür spielst du Fußball. Dafür lebst du, dafür trainierst du", sagte Robben. Und nur, wer selbstkritisch ist, hat Erfolg. Robben schimpfte: "Die zweite Halbzeit haben wir so schlecht angefangen, das kann man sich in der Champions League nicht leisten. Es war eine Katastrophe." Wut macht die Meister.
Und Hunger. "Den Titel zu verteidigen, beginnt im Kopf. Wir sind Meister und die schönste Zeit der Saison ist jetzt da", sagte Guardiola. Es war, als habe er nach knapp zehn Monaten seine Spieler verstanden.
Pep: "Jetzt habe ich gesehen, warum Bayern letztes Jahr alles gewonnen hat. Sie haben Herz, Teamspirit, sie wollen mir folgen." Und sie sind süchtig: Nach dem süßen Geschmack des Erfolgs.