Kane vor erstem Titelgewinn: Warum es für den FC Bayern zum Weinen und Lachen zugleich wäre

Beim EM-Finale am Sonntag gegen Spanien könnte Harry Kane, der letzte bei der EM verbliebene Bayern-Profi, endlich seinen lang ersehnten ersten Titel gewinnen – trotz aller Kritik, Häme und Widerstände.
von  Thomas Becker
Jetzt muss es doch endlich klappen! Harry Kane wartet nach einer titellosen Premieren-Saison mit den Bayern noch immer auf seinen heiß ersehnten ersten Titel als Profifußballer. Klappt es jetzt stattdessen mit der seit 1966 vergeblich um Zählbares kämpfenden englischen Nationalmannschaft? Im EM-Finale in Berlin am Sonntag wartet mit Spanien das bislang überzeugendste Team des Turniers.
Jetzt muss es doch endlich klappen! Harry Kane wartet nach einer titellosen Premieren-Saison mit den Bayern noch immer auf seinen heiß ersehnten ersten Titel als Profifußballer. Klappt es jetzt stattdessen mit der seit 1966 vergeblich um Zählbares kämpfenden englischen Nationalmannschaft? Im EM-Finale in Berlin am Sonntag wartet mit Spanien das bislang überzeugendste Team des Turniers. © IMAGO/Sportimage

München - In gut zwei Wochen wird er 31, aber das womöglich wesentlich größere, wildere und sehnlicher erwartetere Fest steigt schon am Sonntagabend. Fern der Heimat, weit weg von seinem Arbeitsplatz an der Säbener Straße: in Berlin. EM-Finale, England gegen Spanien (21 Uhr/ARD und MagentaTV). Es könnte Harry Kanes erster Titel überhaupt werden. Klingt verrückt, ist aber so.

Die Bayern-Bosse werden die EURO womöglich mit einem lachenden und einem weinenden Auge verfolgen. Einerseits schwindet mit jedem Bayern-Spieler weniger bei der EM die Verletzungsgefahr mit Blick auf die in einem Monat beginnende Pflichtspielsaison. Andererseits: Wie sieht das denn aus? Ein EM-Finale mit nur einem einzigen Bayern-Star? Das muss ja am Ego kratzen!

Coman und de Ligt nur mit wenigen Einsatzminuten – Upamecano spielte eine überzeugende EM

Es ist aber nun mal so: Mit den Franzosen Dayot Upamecano und Kingsley Coman sowie dem Niederländer Matthijs de Ligt verabschiedeten sich drei weitere Bayern-Profis vorzeitig von der EURO und werden die Krönungsmesse am Sonntag nur aus der Ferne verfolgen. Last man standing: Harry K. aus Walthamstow, London. Oder wie der Highlander sagen würde: Es Kane nur einen geben.

Während die Vielleicht-schon-bald-nicht-mehr-Bayern Coman und de Ligt bei der EURO mangels Spielminuten kaum Gelegenheit bekamen, ihren Marktwert zu steigern, spielte der beim FC Bayern so unstete Upamecano eine vergleichsweise bombensichere Europameisterschaft, allerdings ohne die Fans dabei von den Sitzen zu reißen.

Kanes Auftritte in der englischen Nationalelf wirkten weder dynamisch noch selbstsicher

Auch der Torschützenkönig der letzten Bundesliga-Saison musste bei dieser EM mit so einigen herben Schlagzeilen zurecht kommen. Zwar führt Kane dank dreier Treffer mit Dani Olmo, Cody Gakpo, Georges Mikautadse, Jamal Musiala und Ivan Schranz mal wieder die EM-Torjägerliste an, und dennoch wirken seine Auftritte lange nicht so dynamisch und selbstsicher wie heuer im Dress des FC Bayern.

Was die wenig zimperliche Regenbogenpresse in seiner Heimat ganz tief in die Häme-Kiste greifen ließ: "Er nervt. Er ist faul", "nicht mehr nützlich", "Loser" - all das musste sich der erfolgreichste Torschütze der "Three Lions" aller Zeiten und allzeit maximal loyale Mannschaftskapitän anhören.

 "Lasst uns den letzten Schritt gehen": FCB-Star Kane fiebert dem EM-Finale entgegen

Der konterte nun nach dem rassigen 2:1-Halbfinalsieg gegen die Niederlande mit einem verwackelten Handy-Video von der nächtlichen Heimreise von Dortmund ins Trainingscamp nach Blankenhain. "Das ist besonders, besonders, besonders. Das bedeutet die Welt für uns. Lasst uns den letzten Schritt gehen. Auf geht's!", sagte Kane voller Stolz mit Blick auf das Finale gegen Spanien.

58 Jahre des Wartens könnten am Sonntag im Olympiastadion von Berlin enden. Die Devise für das Endspiel gegen den Favoriten gab der völlig losgelöste Gareth Southgate, der von den tollen Nächten in Deutschland schwärmte, noch in Dortmund aus: "One more! One more!", rief Englands Coach den rund 20.000 Fans nach dem Sieg lautstark zu. Nur noch ein Sieg.

Zuvor hatte Southgate seine Freude herausgebrüllt und ein Tänzchen auf dem Rasen aufgeführt. Die Fans sangen den Turnierklassiker "Three Lions" mit der konkreten Aussicht, dass der Dauer-Slogan "It's coming home" endlich wahr wird und die Leidenszeit endet.

Bayern-Star Kane kurz vor Schluss für Siegtorschütze Watkins ausgewechselt

Dass der erlösende Last-Minute-Treffer von Ollie Watkins – by the way in bester Gerd-Müller-Manier – erst fiel, als Kane zehn Minuten zuvor das Feld für eben diesen Watkins geräumt hatte, störte den Bayern-Star danach kein bisschen: "Es war eine verdammt harte Reise. Wir hatten unsere Momente in diesem Turnier. Wenn wir die am Sonntag nochmal haben, sind wir am Ziel und Champions."

Sollte Kane am Sonntagabend tatsächlich den EM-Pott in den Himmel über Berlin stemmen, werden die Bayern-Augen wieder weinen und lachen. Einerseits: endlich, Harry, Glückwunsch! Andererseits: nicht, dass du nach deinem so lange ersehnten Premieren-Titel die Körperspannung verlierst! Das können wir hier an der Säbener nun wirklich nicht gebrauchen, ganz im Gegenteil.

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