Kalt erwischt! Meisterfeier des FC Bayern stark getrübt

Es ist lange her, seitdem der FC Bayern einen Titel dermaßen emotional gewonnen hat. Mitten in die Feierlichkeiten platzte jedoch die Entlassung der Vorstände Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn.
von  Patrick Strasser
Sein letztes Spiel mit dem FC Bayern: Sportvorstand Hasan Salihamidzic.
Sein letztes Spiel mit dem FC Bayern: Sportvorstand Hasan Salihamidzic. © IMAGO/kolbert-press

Köln - Feiert man intensiver, heiterer und ausgelassener, wenn man unverhofft, ziemlich glücklich und dank Schützenhilfe eines unbeteiligten Gegners wie den Mainzern, die bei Tabellenführer Borussia Dortmund ein 2:2 holten, doch noch Meister wird?

Die klare Antwort, die alle Emotionen, Tränen und der Siegerschweiß des FC Bayern in Köln-Müngersdorf bündelte: Ja! Und wie!

"Meine irrste, verrückteste Meisterschaft": Selbst Thomas Müller ringt nach Worten

Die elfte Meisterschaft des FC Bayern München in Serie, dieser Last-Minute-Titel nach dem Siegtor zum 2:1 von Jamal Musiala in der 89. Minute beim 1. FC Köln dürfte allen Beteiligten lange Erinnerung bleiben und als viel schöner eingestuft werden im Vergleich zu den vorangegangenen Titeln, die lange vor dem finalen Showdown am 34. Spieltag mit deutlichem Vorsprung eingefahren wurden.

"Wir hatten heute das Glück, dass Jamal das Ding da reingejagt hat. Nach dem Tor, da kriegst du Emotionen", sagte Thomas Müller nach Worten ringend – und das will was heißen.

Der 33-Jährige weiter: "Es war auf jeden Fall meine irrste, verrückteste Meisterschaft, die emotionalste war meine allererste im eigenen Stadion." Und das war 2010, da war Müller gerade einmal 20 Jahre jung. Nun hat er seinen Schalen-Rekord ausgebaut, feiert Nummer zwölf.

FC Bayern: Elfte Meisterschaft in Folge wird zur Nebensache

Und doch ist auch dies nur eine Nebengeschichte an diesem irren 34. Spieltag, am Ende dieser aberwitzigen Saison des FC Bayern. Denn die emotionale, weil so unerwartete Feier der Spieler auf dem Rasen, in der Fankurve und nach der Meisterehrung in der Kabine wurde jäh unterbrochen.

Denn in den Jubel platzte die Nachricht von der Entlassung des Vorstandsbosses Oliver Kahn und von Sportvorstand Hasan Salihamidzic, der sich mit einer kleinen, höchst emotionalen Rede von der Mannschaft und per Handschlag von jedem einzelnen Spieler verabschiedete.

Salihamidzic beim FC Bayern raus, Rolle rückwärts bei Dreesen

Das Aus des gebürtigen Bosniers, der 2017 vom Markenbotschafter zum Sportdirektor ernannt wurde, kam nicht überraschend und wurde bereits am Freitag auf einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung beschlossen.

Unabhängig vom Ausgang der Meisterschaft hatte der Verein mit den Strippenziehern Uli Hoeneß, dem Vereinspatron und Ehrenpräsidenten, und Karl-Heinz Rummenigge, dem Ex-Vorstandsboss und künftigen Berater, die Entscheidung über die Abberufung getroffen. Schluss für Kahn (53) nach knapp zwei Jahren an oberster Stelle und das Aus für Salihamidzic (43) nach sechs Jahren.

Meisterschaft – und trotzdem das Aus für Hasan Salihamidzic (m.) und Oliver Kahn beim FC Bayern.
Meisterschaft – und trotzdem das Aus für Hasan Salihamidzic (m.) und Oliver Kahn beim FC Bayern. © IMAGO / MIS

Der neue starke Mann bei den Bayern heißt Jan-Christian Dreesen (55), bis zuletzt noch Finanzvorstand - allerdings war dessen Abschied bereits beschlossene Sache. Nun die Rolle rückwärts – bis ganz nach oben.

Als Mitglied des DFL-Präsidiums hatte Dreesen den Spielern die Schale überreicht. Nun ist Dreesen neuer Vorstandsvorsitzender. Für zwei Jahre als Übergangslösung, wird geraunt. Aber wer weiß das schon in diesen Chaos-Tagen beim Rekordmeister?

Wird ab sofort beim FC Bayern öfter ins Tagesgeschäft involviert sein: Interims-CEO Jan-Christian Dreesen.
Wird ab sofort beim FC Bayern öfter ins Tagesgeschäft involviert sein: Interims-CEO Jan-Christian Dreesen. © IMAGO / MIS

Meistertitel Nummer 33 für den FC Bayern: Eine Schale mit Knall

Meistertitel Nummer 33 in der Vereinsgeschichte der Münchner gilt als derjenige mit dem größten Knall auf Führungsebene. Was die Posse um einen Tweet von nun schon Ex-Boss Kahn verdeutlicht.

"Ich würde gerne mit euch mitfeiern, aber leider kann ich heute nicht bei euch sein, weil es mir vom Club untersagt wurde", schrieb Kahn nach dem Gewinn des Titels Meisterschaft und ergänzte: "Ich hab's euch immer gesagt! Immer bis zum Schluss alles geben und niemals aufgeben." Wer ist "der Club"? Uli Hoeneß? Der neue CEO Dreesen? Undurchsichtig.

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Für Kahn den Mister "Weiter, immer weiter!" war auf jeden Fall schon am Freitag Schluss – offenbar nicht ohne Zoff hinter den Kulissen, nach außen jedoch für alle sichtbar ausgetragen.

Sportvorstand Salihamidzic sprach bei Kahn von einer "kleinen Grippe". Alles nur vorgeschoben? Passt ins Bild dieser Saison, nach der sich nun – sicher wider Willen – auch Julian Nagelsmann Meistertrainer nennen dürfte. Am 23. März war er als Tabellenführer entlassen worden.

FC Bayern außer sich vor Freude, Trainer Thomas Tuchel eher mitgenommen

Und Tuchel? Wirkte auch mit seiner ersten DFL-Meistermedaille um den Hals in Köln ganz und gar nicht euphorisch, eher mitgenommen und ein wenig desillusioniert nach dem intensiv Crash-Kurs FC Bayern in neuneinhalb Wochen.

"Es ist viel, was alle Beteiligten nun verdauen müssen", sprach Tuchel, "wir haben nun auch ein politisches Thema im Klub, das diese extreme Meisterschaft und diese extreme Willensleistung der Mannschaft ein bisschen trübt. Trotzdem wird das keine Saison, mit der wir zufrieden sein dürfen".

So süß kann auch eine Kopie schmecken: Thomas Tuchel mit seiner ersten Meisterschale.
So süß kann auch eine Kopie schmecken: Thomas Tuchel mit seiner ersten Meisterschale. © IMAGO / Chai v.d. Laage

Am Freitag hatte er von der Entlassung des Duos Kahn/Salihamidzic erfahren, neben denen er bei seiner Vorstellung am 25. März auf dem Pressekonferenz-Podium saß.

Die Demission bestätigte Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender Herbert Hainer, der seinen Posten behielt, nach dem Spiel in den Katakomben des Kölner Stadions: "Es war uns unwahrscheinlich wichtig, das erst nach dem Spiel bekannt zu geben. Wir wollten uns zu 100% auf den Sport und den Gewinn der Meisterschaft konzentrieren. Das hat geklappt." Aber ob die Bosse eher mit der Vizemeisterschaft gerechnet haben, um die Entscheidung der Führung passender zu machen? Und nun? Kalt erwischt? Alles nebulös.

Drama bis zur letzten Sekunde – und eine "fremde Schale"

Den ersten Platzsturm der Bayern-Profis hatte es nach dem Rechtsschuss von Jamal Musiala ins Glück gegeben. Die gesamte Bank, der gesamte Kader stürmte hinter dem Torschützen her zur Fankurve der Münchner. Pures Glück.

Doch danach war erstmal Warten angesagt, denn das Spiel der Dortmunder, die noch den Ausgleich zum 2:2 erzielten, war noch nicht beendet.

Nur die Kopie der Schale: Ein ungewohntes gewohntes Gefühl – auch für Manuel Neuer.
Nur die Kopie der Schale: Ein ungewohntes gewohntes Gefühl – auch für Manuel Neuer. © IMAGO / Treese

Am Mittelkreis versammelte sich die Mannschaft, bildete einen Kreis um eines der vielen Handys und schaute die letzten Sekunden aus Dortmund. Dann war Schluss – und der Titel wieder in München.

Alle Spieler sprinteten erneut zur Kurve, fassungslos vor Glück und dem Gefühl, das Ding gedreht zu haben. Ohne so recht zu wissen, wie – und vor allem, wie ihnen geschah.

Meisterfeier in der "Motorworld": Original-Schale wird dem FC Bayern eingeflogen

Um 17.42 Uhr erhielt Kapitän Manuel Neuer im Trainingsanzug die Meisterschale, das gute alte Stück, das dem 37-Jährigen doch irgendwie fremd vorkam. Es war nur eine Kopie. Denn die Original-Meisterschale war natürlich nach Dortmund gebracht worden in den Signal-Iduna-Park, der am Samstagnachmittag in Tränen ertrank.

Die Schale, das Original, wurde flugs nach München gebracht, damit die Bayern am Abend nach ihrem Rückflug in der Event-Location "Motorworld" im Münchner Stadtteil Freimann stilecht feiern konnten. Aber mit dickem Geschmäckle.

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