Kahn im Disput mit Hoeneß: „Ich hab' ihn zehn Minuten angeschrien“

Wie sich Ex-Bayern-Torwart Oliver Kahn in der Hoeneß-Biographie von AZ-Autor Patrick Strasser an seine legendären Duelle mit dem Bayern-Manager erinnert. Hier ein exklusiver Vorabdruck
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Die beiden rumpelten öfter zusammen. Olli Kahn und Uli Hoeneß schenkten sich nichts in ihrer gemeinsamen Bayern-Zeit.
MIS Die beiden rumpelten öfter zusammen. Olli Kahn und Uli Hoeneß schenkten sich nichts in ihrer gemeinsamen Bayern-Zeit.

Wie sich Ex-Bayern-Torwart Oliver Kahn in der Hoeneß-Biographie von AZ-Autor Patrick Strasser an seine legendären Duelle mit dem Bayern-Manager erinnert. Hier ein exklusiver Vorabdruck

Wie es sich anfühlt, wenn man mit Uli Hoeneß direkt aneinandergerät, weiß Oliver Kahn nur zu genau aus all den 14 Jahren zu berichten, die der Ex-Torhüter für Bayern gespielt hat. „Wir sind so einige Male richtig aneinandergeraten", erzählt Kahn und amüsiert sich noch heute über die Anekdoten: „Es kam schon mal vor, dass er einen angerufen und fünf Minuten ohne Punkt und Komma wegen irgendwelcher noch nicht unterschriebener Autogrammkarten ins Telefon gebrüllt hat. Ich habe das Handy dann weit vom Ohr weggehalten, und als ich am anderen Ende dann nichts mehr hörte, habe ich gesagt: ,Ja, Manager, so machen wir das.’ Er hatte gar nicht mitbekommen, dass ich nicht zugehört hatte."

Richtig laut und heftig wurde es allerdings nur einmal. Im Dezember 2007 hatte Kahn als Kapitän die neuen Kollegen Franck Ribéry und Luca Toni in einem Interview scharf attackiert. Bayern sei nicht „Marseille oder Florenz", und „nur zwei, drei gute Spiele“ reichten nicht aus. Ottmar Hitzfeld und Uli Hoeneß marschierten daraufhin vor dem Training zu Kahn in die Kabine und teilten dem Kollegenkritiker das Strafmaß mit: 25000 Euro und ein Spiel Denkpause für die Partie bei Hertha BSC am darauffolgenden Samstag. „Ich empfand das als ungerecht, als völlig fehl am Platze“, erinnert sich Kahn.

Nach dem Training ging er sofort rauf ins Büro zu Hoeneß, in Cowboystiefeln donnerte er den Gang entlang. „Ich habe voller Wut die Tür aufgerissen und den Manager bestimmt zehn Minuten nur angeschrien, zum Teil beleidigt. Es war so heftig, dass zwischendrin Frau Potthoff, seine Sekretärin, zur Tür kam und meinte: ,Was ist denn hier los?’ Ich hab dann auf dem Absatz kehrtgemacht und bin grußlos weg." Auch Hoeneß erinnert sich gut an die lautstarke Auseinandersetzung: „Oliver stand auf, die Tür hat gescheppert, dass man meinen musste, die Säbener Straße bricht zusammen. Meine Leute haben nachgeschaut, ob ich überhaupt noch lebe."

Eine Stunde später rief Kahn bei Hoeneß an und entschuldigte sich. „Es folgte eines der besten Gespräche, das wir je hatten", erinnert sich Hoeneß. Für Kahn steht nicht erst seit dieser Brüllerei fest: „Das war immer schon eine seiner besten Eigenschaften - er konnte rasch verzeihen."

Auch deshalb gibt es Schlimmeres, als einen Rüffel von Uli Hoeneß zu erhalten. Egal, ob es sich um Spieler, Trainer, Manager, Präsidenten der Konkurrenten, Politiker oder Journalisten handelt - eine Hoeneß-Schelte kommt tatsächlich in den meisten Fällen einem Ritterschlag gleich. Tatsächlich lässt jeder scharfe Angriff vermuten, Hoeneß wolle sein Gegenüber, das er auf Augenhöhe wähnt oder sogar fürchtet, einschüchtern. Keine Attacke ohne Kalkül. Denn Hoeneß' Maxime lautet: „Erst wenn ich nicht mehr über jemanden spreche, erst dann wird's gefährlich für denjenigen.“

***

„Uli Hoeneß tut mir leid. Er hat sich sein letztes Jahr als Manager auch anders vorgestellt“, sagte Udo Lattek, der Sonntagsexperte des Fernsehens. Der Extrainer hatte immer ein feines Gespür und gewisse Drähte in den Klub hinein. Er stellte fest: „Sie sind keine Einheit mehr in der Führungsetage des FC Bayern. Da gibt es Risse. Jeder versucht, seine eigene Position zu stärken. Das war früher anders."

Was Ulikallefranz trotz aller Scharmützel und Streitereien bis heute vereint, ist das Ziel, den FC Bayern zur ersten Adresse in Europa zu machen. Diesem Traum jagen sie verbissen nach, bis an die Grenze zur Besessenheit. Auch wenn sie sich noch so leidenschaftlich zoffen, sie lieben den FC Bayern. Denn Beckenbauer, Rummenigge und Hoeneß sind ihrem Selbstverständnis nach der Verein, sie sind Teil der Geschichte. Das aber macht es auch so schwierig für externe Kandidaten, sich vorzustellen, in dieser Gemengelage mit drei von sich selbst völlig überzeugten Alphatieren zusammenzuarbeiten. Sie sind ein Team, aber sie könnten nicht unterschiedlicher sein. Oft könnte man sogar das Gefühl bekommen, sie arbeiteten gegeneinander.

Was sie noch verbindet: lieber niemanden von außen in den Verein hereinlassen. Lieber stets eine interne Lösung suchen, einen eigenen Mann großziehen. Und so wurde Christian Nerlinger, ein Exspieler, zum Hoeneß-Nachfolger. Was eher zufällig entstand. Nerlinger hatte sich bei Bayern um ein Praktikum beworben, und sein Arbeitsbeginn fiel just mit dem Engagement von Jürgen Klinsmann zusammen. Nerlinger machte sich gut, etablierte sich, zeigte Profil - vor allem als er bei der Entlassung von Klinsmann eine wesentliche Rolle spielte.

Also wurde für Nerlinger der Posten des Sportdirektors geschaffen, er bezog sein Büro als Nachbar von Hoeneß zum 1. Juli 2009. Paul Breitner, den Berater des Vorstandes, hatten viele in der Rolle als „Bayerns next Top-Hoeneß“ gesehen, aber das war für ihn nie infrage gekommen. „Nein, da habe ich wirklich keine Sekunde nachgedacht. Das erschien mir als wirklich hirnrissig“, beteuert er.

Außerdem enthielt das Jobprofil die Hürde, es solle ein Mann um die 40 sein. Also doch Oliver Kahn, der exakt dieses Alter zu Hoeneß’ Amtswechsel erreichen sollte? In seinen letzten Vertrag, den der Torhüter 2006 noch einmal für zwei weitere Jahre abgeschlossen hatte, wurde eine Klausel aufgenommen, die ihm nach dem Ende der aktiven Karriere einen Posten im Verein garantierte. Doch er lehnte ab. Weil er andere geschäftliche Pläne verfolge und es ein Ausschlussargument gebe: „In dieser Konstellation werde ich es nicht machen", sagt Kahn, „nicht, wenn die drei im Vorstand noch an der Macht und noch am Werk sind. Damit will ich deren Leistung nicht schmälern, ihre Arbeit nicht infrage stellen - aber es geht einfach nicht. Punkt. Christian Nerlinger ist ja ein lieber, netter Kerl, und er macht das auch sehr gut. Aber sie haben eben keinen unabhängigen Mann von außen geholt, sind kein Risiko eingegangen.“

Was zeigt: Es gibt noch viele Türen, die der FC Bayern in seiner Struktur aufmachen kann. Denn frischer Wind tut ab und an ganz gut.

Weitere Auszüge aus der Hoeneß-Biographie "Hier ist Hoeneß!" lesen Sie ab Mittwoch täglich im Sportteil der Abendzeitung.

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