Kahn: "Ein Hühnerhaufen!"

Der frühere Bayern-Torwart kritisiert die Defensive und auch die Philosophie von Trainer van Gaal
von  GJ

Dass Oliver Kahn als ZDF-Kommentator durchaus Klartext zu reden vermag, ist bekannt. Fachliche Analysen sind sein Ding, Schmähkritik war es bisher nicht. Dass er  seine früheren Kollegen, seine ehemaligen Mitspieler auch verhöhnt, ist neu. Das 1:3 seiner Bayern gegen Dortmund, die Wehrlosigkeit des alten gegen den mutmaßlichen neuen Meister aus Dortmund, gegen den Kahn früher mit gestrecktem Fuß und als Ohrabbeißer zu Werke ging, muss ihm den Rest gegeben haben.

Im "ZDF-Sportstudio" sprach Kahn nach dem 1:3 am Samstagabend von "einer Lehrstunde für den FC Bayern". Und formulierte es dann noch drastischer: "In der Defensive haben sie wie ein Hühnerhaufen gewirkt! Ungeordnet! Unglaublich viele Fehler! Leichte Ballverluste!"

Die von Bayern-Trainer Louis van Gaal angeführte Belastung, nur drei Tage nach dem schweren Champions-League-Spiel am Mittwoch bei Inter Mailand ein solches Spitzenspiel gegen den überragenden Tabellenführer aus Dortmund antreten zu müssen, mochte Kahn nicht als Erklärung durchgehen lassen: "Wir haben früher auch mittwochs-samstags gespielt. Es darf da keine Kraftprobleme geben. Ich habe erwartet, dass sie total motiviert in das Spiel gehen. Dass sie zeigen wollen, dass sie trotz des Rückstands die beste Mannschaft sind."

Das Gegenteil war der Fall. "Ob es mit Überheblichkeit zu tun hat nach dem 1:0 in Mailand?", fragte Kahn und sein anschließendes "Ich weiß es nicht" klang wie ein "Ja". Dabei hätten sie auch schon in Mailand in der Defensive Probleme gehabt und den 1:0-Sieg "vor allem Thomas Kraft zu verdanken", dem Torwart.

Tatsächlich ist es die heutige Abwehr des Louis van Gaal, für die der frühere Kapitän (und Dirigent der Abwehr aus dem Tor heraus) wenig übrig hat. "Wir hatten damals Kuffour, Linke, Andersson - das waren Kapazitäten. Jetzt spielt da teilweise Timotschschuk, Breno, von denen man nie weiß, welche Leistung sie gerade bringen, und Badstuber, der noch sehr jung ist. Im Zentrum haben sie große Probleme."

Kahn nennt das Problem durchaus beim Namen: es ist der Offensivstil von Trainer van Gaal. "Er hat ja seine Vision, seine Philosophie. Dass man die Zuschauer begeistern muss, dass sie ein tolles Spiel, ein offensiven Schlagabtausch sehen. Mir ist dass immer auf die Nerven gegangen, wenn es am Ende hie, die Zuschauer haben ein tolles Spiel gesehen."

Schließlich hat er seine Erfolge auch unter dem Trainer Hitzfeld gefeiert, der nicht für Hurra-Stil stand. "Die großen Titel", weiß Kahn, "die gewinnst du aus der Defensive heraus".

Der FC Bayern hat übrigens in dieser Saison mit 30 Gegentreffern mehr als doppelt so oft ein Tor kassiert wie Borussia Dortmund (14).

 

 

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