„Kahn, äh, Kraft hält wirklich überragend“

Der 22-jährige Keeper, von van Gaal erst im Winter zur Nummer eins befördert, spielt beim Triumph in San Siro zu Null. Danach prasselt das Lob auf ihn ein – und Effe adelt ihn sogar
Mailand - 22 Jahre ist er alt, der junge Mann aus dem Westerwald. Und so wirklich glauben wollte es Thomas Kraft keiner, als der vor dem Achtelfinale in San Siro trocken meinte: „Nervosität? Kenne ich nicht!“ Und dann das! Das Achtelfinal-Hinspiel bei Inter Mailand, dem amtierenden Titelträger der Champions League, wurde zu einem Kraft-Festspiel. Bayern siegte 1:0 – und dass es ohne Gegentor zu Ende ging, das hatte viel mit ihm, dem Keeper zu tun. Das Lob prasselte auf Kraft ein wie zuvor die Schüsse der Inter-Offensive. Vor größere Probleme stellte den jungen Torhüter beides nicht.
Die Bedeutung der Partie? Die ungewohnte Kulisse? „Hier ist es laut, aber in Rom war es auch sehr laut“, sagte Ehrenpräsident Franz Beckenbauer. „Das Glück, das er da hatte, das wünsche ich ihm heute.“ Wie auch immer Beckenbauer das meinte... Damals, beim ersten seiner nunmehr drei Champions-League-Partien, hatte Kraft beim 2:3 noch drei Gegentore kassiert. Doch Glück, Glück benötigte Kraft gestern nicht. Er zeigte eine großartige Leistung, empfahl sich – Manuel Neuer hin oder her – als Dauerlösung im Bayern-Kasten.
Kostproben seiner Klasse gab es zur Genüge. In Minute 22 parierte er abgeklärt, als der Argentinier Esteban Cambiasso abzog. Eine Großtat folgte elf Minuten später: Inter blitzschneller Kameruner Samuel Eto’o war durch, schoss aus bestenfalls acht Metern Entfernung aufs Tor – eigentlich ein sicherer Treffer für Inter. Doch da war noch Kraft und seine Hände – mit einem herrlichen Reflex entschärfte er den Ball.
Bei Halbzeit waren sich alle Augenzeugen einig: Kraft macht seine Sache ausgezeichnet. „Kahn, äh, Kraft“, verhaspelte sich Ex-Bayern-Kapitän Stefan Effenberg bei „sky“ vielsagend, „hält wirklich überragend. Er macht eine tolle Patie.“ Auch Sportdirektor Christian Nerlinger, der im Winter angesichts des von Trainer Louis van Gaal im Alleingang durchgeführten Keeper-Wechsels von Routinier Jörg Butt zu Kraft aus allen Wolken gefallen war, attestierte „super Reflexe, sehr gute Paraden, eine tolle Partie“. War ja auch so.
Und auch nach der Pause machte Kraft unbeeindruckt weiter. Wieder war es Weltstar Eto’o, den der junge Bursche entnervte. In Minute 57 war Inters bester Angreifer – nach einem Patzer Bastian Schweinsteigers – an der Strafraumgrenze in bester Schussposition, zog ab, doch Kraft riss rechtzeitig die Hände nach oben. Den Abpraller drosch Cambiasso drüber. Zehn Minuten vor Schluss, der eingewechselte Houssine Kharja war durch, war es erneut Kraft, der den Rückstand verhinderte.
Nervosität? Wahrlich nicht zu erkennen. Kraft war der große Rückhalt einer großartigen Bayern-Mannschaft.