"Jupp sorgt für Harmonie, Matthias für die Reizpunkte"

Am Dienstag startet der FC Bayern ins neue Jahr.  In der AZ erklärt Ottmar Hitzfeld, warum er hofft, dass der alte Trainer auch der neue sein wird – und welche Chancen sein Ex-Klub heuer hat
Patrick Strasser |
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Ottmar Hitzfeld.
dpa Ottmar Hitzfeld.

Am Mittwoch startet der FC Bayern ins neue Jahr. In der AZ erklärt Ottmar Hitzfeld, warum er hofft, dass der alte Trainer auch der neue sein wird – und welche Chancen sein Ex-Klub heuer hat

AZ: Herr Hitzfeld, an welchen Moment müssen Sie zuerst denken, wenn es um das Fußballjahr 2012 geht: an Schweinsteigers Elfmeterschuss an den Pfosten im Champions-League-Finale des 19. Mai oder Ihren Stinkefinger-Ausraster als Schweizer Nationaltrainer im Oktober?

OTTMAR HITZFELD: Ach, für mich persönlich war das Jahr positiv. Wir haben in vier Spielen der WM-Qualifikation zehn Punkte geholt – und das ist mein Job. Und die Sache beim Länderspiel gegen Norwegen war eine komplett neue Erfahrung für mich.

In der Tat: Der immer kontrollierte Ottmar Hitzfeld lässt sich gehen.

Ja, da habe ich wohl eine neue Seite an mir entdeckt (lacht). Bisher bin ich in solchen Situationen immer cool geblieben.

Mit etwas Abstand können Sie es ja nun zugeben: Sie haben mit dem Mittelfinger schon den spanischen Schiedsrichter Fernandez Borbalan gemeint, oder?

Nein, wirklich nicht. Das war ein Ausdruck meines Unmuts. Ich war einfach sauer. Das Urteil mit zwei Spielen Sperre halte ich für überzogen, eines hätte auch gereicht. Ich bin in 30 Jahren Bundesliga nie auf die Tribüne verbannt worden – aber man kann im Leben nichts ausschließen. Das lehrt mich diese Sache. Ich muss mich da besser im Griff haben, auf solche Situationen noch besser mental vorbereiten.

Und der Blick zurück auf die Bayern? Auf das Finale dahoam?

Das macht mich traurig. Keine deutsche Mannschaft hat 2012 international einen Titel geholt. Für das Team von Jogi Löw kam das Aus im Halbfinale gegen Italien und im Finale von München war der Kopfball von Drogba zum 1:1 der Genickschlag für die Bayern.

Wie sehr haben Sie mitgelitten – besonders mit Bastian Schweinsteiger, Ihrem ehemaligen Zögling?

Ich konnte ja nicht im Stadion sein, wir haben uns mit der Schweiz auf Länderspiele vorbereitet. Ich habe vor dem Fernseher mitgefiebert. Das war ja wie ein Stich ins Herz. Man kann sich da gut hineinversetzen, ich denke da nicht nur an den Spieler, auch an den Menschen. Was für eine Tragik! Es war sehr bitter. Ein paar Tage danach habe ich Bastian eine SMS geschickt, habe ihm viel Kraft gewünscht.

Hat es Sie auch erstaunt, wie stark Schweinsteiger sich in der Hinrunde 2012/13 präsentiert hat?

Er ist nicht nur zurückgekommen, sondern mit neuer Kraft und Stärke. Bastian hat sich in seiner Persönlichkeitsstruktur entwickelt, ist ein absoluter Führungsspieler. Da hat sich die gute Aufbauarbeit von Jupp Heynckes bezahlt gemacht, er hat der Mannschaft sofort neue Ziele vermittelt. Das ist ihm bestens gelungen, er hat das Team wieder auf Titel fokussiert.

Wo wir gerade bei Jupp Heynckes sind: Die Verantwortlichen wollen sich erst im März mit dem Trainer zusammensetzen, um über eine mögliche Vertragsverlängerung zu sprechen. Derzeit scheint alles offen. Sie kennen solch eine Situation.

Bisher haben sich alle Beteiligten geschickt verhalten. Aber man darf im neuen Jahr auch nicht zu lange warten mit der Entscheidung, das bringt Unruhe von außen in die Mannschaft.

Soll Heynckes denn weitermachen?

Das würde mir sehr gefallen - ja. Er hat die Frische, die Freude und sieht, was er für ein Potenzial im Kader hat. Das macht einen Trainer selbstbewusst.

Und nimmermüde? Was ist, wenn er mit zwei oder drei Titeln die Saison beendet?

Das müsste nicht zwangsläufig heißen: Rücktritt. Im Gegenteil. Wenn er weitermacht, kann er ja weitere Titel holen, die Früchte seiner Arbeit ernten. Er hat dem FC Bayern einen neuen Stil verpasst, das Spiel ist attraktiver, aber zugleich wird mehr Wert auf die Defensive gelegt - das ist die Kunst.

Als neuer Trainer wird der ehemalige Barcelona-Coach Pep Guardiola, der momentan eine Auszeit genießt, gehandelt. Wäre ein Duo Heynckes/Guardiola praktikabel?

Nein. Von solch einer Konstellation halte ich nicht viel. Das ist schwierig. Jemand, der als Cheftrainer gearbeitet hat, ist es gewohnt, die Nummer eins zu sein, das letzte Wort zu haben. Auch als Sportdirektor ist es schwierig: Wie kann er dann noch Einfluss nehmen? Wo fängt der Verantwortungsbereich an, wo hört er auf? Und dann hat der FC Bayern ja auch noch einen starken Matthias
Sammer. Das funktioniert nicht.

Diese Fragen hatte man sich im Juli auch gestellt, als der FC Bayern Matthias Sammer als Sportvorstand holte.

Das ist eine andere Konstellation – und war ein guter Transfer. Ich kenne ja Matthias. Er lässt bei bestimmten Themen nicht locker, legt den Finger in die Wunde. Das Wechselspiel zwischen den beiden scheint bestens zu funktionieren, Jupp sorgt für Harmonie, Matthias für die Reizpunkte. Und die Kompetenzen sind klar abgesteckt.

Themenwechsel: Was trauen Sie den drei Bundesliga-Klubs Bayern, Dortmund und Schalke in der Champions League zu?

Bis zum Titel sind es noch viele Hürden. Man braucht Schlachtenglück – und Losglück.

Dass man ab dem Viertelfinale nicht gleich auf Topfavorit FC Barcelona trifft?

Meine vier großen Favoriten sind Barca, Real Madrid, Manchester United und der FC Bayern – vielleicht kann man den BVB sogar dazuzählen. Die Bayern hatten selten so große Chancen, international einen Titel zu gewinnen wie dieses Jahr. Und sogar Barca kann man ausschalten – auch wenn man auf sie natürlich am besten so spät wie möglich trifft.

Da dürfte der Achtelfinal-Gegner FC Arsenal mit Podolski und Mertesacker kein Stolperstein sein, oder?

Nein, Arsenal hat in der Premier League und in der Champions League diese Saison nicht überzeugt, sie haben nur ihre Pflicht erfüllt. Früher war Arsenal stärker, man konnte den Abgang von Robin van Persie nicht kompensieren,

Mit wie vielen Titeln darf sich der FC Bayern im Frühsommer auf dem Marienplatz feiern lassen?

Die Aussichten der Bayern sind fantastisch. In der Meisterschaft sind sie auf einem hervorragenden Weg, das wird für die Dortmunder nicht mehr reichen, der Punkteabstand ist zu groß. Und Leverkusen ist kein Konkurrent für die Bayern. Der Pokalsieg ist natürlich auch drin, aber das wäre eine Zugabe. Im Viertelfinal-Duell mit dem BVB entscheidet die Tagesform, aber man hat ja Heimvorteil. Der Champions-League-Titel aber hat Vorrang. Da ist der Hunger groß, da sitzt der Stachel von Chelsea noch tief in der Bayern-Wunde.

Wie lauten Ihre Ziele für das Jahr 2013?

Die direkte Qualifikation für die WM 2014 in Brasilien. Das wäre auch für mich als Trainer noch mal ein ganz besonderes Turnier mit einem ganz besonderen Flair.

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