Jupp Kapellmann wird ein Sechziger

MÜNCHEN - Er spielte einst für die Bayern und die Löwen und ist heute Arzt in Rosenheim. Am Samstag wird Jupp Kapellmann 60. Hier erzählt er, wie er vor gar nicht so langer Zeit noch mal mit dem Leben davon gekommen ist.
Dreimal gewann er mit Franz Beckenbauer, Gerd Müller und Sepp Maier mit dem FC Bayern den Fußball-Europapokal der Landesmeister (1974-76). An der Seite der Stars wollte Jupp Kapellmann 1974 im eigenen Land auch Weltmeister werden. Doch ein Foul mit schwerer Knieverletzung als Folge riss ihn aus allen Träumen. 35 Jahre später erwischte es Kapellmann erneut böse: Der Orthopäde, der am Samstag (19. Dezember) 60 Jahre alt wird, lag erstmals selbst auf der Intensivstation.
„Ich war auf der täglichen Fahrt zur Klinik mit dem Mountainbike auf einer Eisplatte gestürzt, schlug ohne Helm hart auf den Hinterkopf. Folge waren ein großes Hämatom am Kopf und ein Blutgerinnsel, ich lag auf der Intensivstation, mehrere Wochen in der Klinik und war nach der Reha mit großen Blutdruck-Schwankungen über Monate nicht einsatzfähig“, sagt Kapellmann, Arzt bei der Hochries-Klinik im oberbayerischen Rosenheim.
Doch der frühere Offensiv-Verteidiger mit Kämpferqualitäten hat das Schlimmste überstanden: „Geschmacks- und Geruchssinn sind noch immer nicht ganz zurück. Aber ich bin ein Stehaufmännchen. Nächstes Jahr will ich wieder am OP-Tisch stehen, dazu braucht man die nötige Sicherheit im Hinterkopf. Sie ist weitgehend wieder da“, sagt der gebürtige Rheinländer, der 1973 bei seinem Wechsel vom 1. FC Köln zum FC Bayern mit einer Million Mark brutto der bis dahin teuerste Bundesliga-Transfer war.
Seine Zeit als Patient gab dem Arzt zu denken: „Plötzlich gab es Existenzängste. Ich habe sieben Kinder zu finanzieren inklusive der Tochter aus erster Ehe“, sagt Hans-Josef Kapellmann, der beim zweiten Gang vor den Traualtar Gabi Viernstein, die Tochter seines früheren Professors, heiratete. Er glaubt: „Mein Unfall hat dazu geführt, dass ich mehr Sensibilität gegenüber Patienten entwickelt habe.“
Die Medizin ist Kapellmanns zweite Leidenschaft. Bereits mit 17 Jahren hatte der einstige Jugend-Nationalspieler des SC Bardenberg beim Nachbarverein Alemannia Aachen in der Bundesliga gekickt und war 1969 mit dem Team vom Tivoli hinter den Bayern Vizemeister geworden.
„Ich war nicht das große Talent. Aber ich konnte mich quälen, hatte den bedingungslosen Ehrgeiz, jeden Zweikampf zu gewinnen“, sagt Kapellmann, der fünf Sprachen beherrscht. Gern stellt er rückblickend fest, er sei mit einer halben Million Mark Jahresgehalt vor 35 Jahren „Deutschlands bestbezahlter Student“ gewesen. Doch die Leidenschaft für den Fußball ist längst von ihm abgefallen.
In einem Interview sagte er kürzlich, er sei froh, „dass ich dem Milieu damals unbeschadet entronnen bin“ – und meint damit den Profi-Fußball, den er eine „Scheinwelt“ nennt. Dies müsse man sich immer ins Bewusstsein rufen, „sonst verliert man sich.“