Jupp Heynckes im Porträt: Das Beste zum Schluss

Das Comeback des Trainers Jupp Heynckes beim FC Bayern kommt überraschend. Aber der Schauplatz ist perfekt.
von  Abendzeitung
Illustration
Illustration © Rauchensteiner/Augenklick

MÜNCHEN - Das Comeback des Trainers Jupp Heynckes beim FC Bayern kommt überraschend. Aber der Schauplatz ist perfekt.

Womöglich weiß Jupp Heynckes selbst noch nicht recht, in welche Schuhe er schlüpfen soll zum Einstand. Um 16 Uhr ist Training an der Säbener Straße. Mehr als tausend Zuschauer werden erwartet, ein Wald aus Kameras wird wachsen, um den Nachfolger Jürgen Klinsmanns zu beobachten.

Bei Heynckes, dem Fünf-Spiele-Trainer des FC Bayern, geht es aber nicht um die Optik. Eher um Bequemlichkeit. Stollenschuhe, die seinem Selbstverständnis als hartem Arbeiter am besten gerecht werden, drücken nun mal. Heynckes (63) hat vier Fußoperationen hinter sich. Im Knie plagt ihn Arthrose.

Aber er steckt das weg.

Wichtiger als Zipperlein sind jetzt Ziele. Davon hat Heynckes gleich mehrere. Das eine ist die Meisterschale, die er den Bayern doch noch bescheren soll – das sei er dem Klub schuldig, glaubt er.

Das andere ist ein persönliches: Ab sofort hat er unverhofft die Chance, seine Trainerkarriere mit einem Knalleffekt zu beenden. Das Beste zum Schluss, genau so könnte ihm das passen.

FC Bayern: Heynckes hat die Karriere nie öffentlich beendet erklärt

Heynckes hat seine Laufbahn ja nie für beendet erklärt, allen gesundheitlichen Beschwerden zum Trotz. Nicht einmal nach seinem Rücktritt bei seinem Herzensklub Borussia Mönchengladbach 2007, als er sich und seiner Frau Iris nicht mehr zumuten mochte, dass enttäuschte Fans ihm sogar Morddrohungen schickten. Da war Heynckes schon 61. Aber die Hoffnung, dass die Karriere noch ein versöhnliches, ein großes Ende für ihn bereit hält, die war stärker als aller Ärger und aller Schmerz.

Jetzt darf (sich) Heynckes, beweisen, dass er’s noch kann. Dafür gibt es keinen perfekteren Schauplatz als München. Denn genau hier hat es begonnen: das Gefühl, dass der Trainer Heynckes ein Unvollendeter ist.

FCBayern: Die Freundschaft zu Hoeneß hat nie gelitten

Zwei Meistertitel, 1989 und 1990, holte er mit den Bayern in seiner ersten Amtszeit. Im Überschwang versprach er den Fans bei der Meisterfeier vom Rathausbalkon herab, als nächstes werde er auch die Champions League gewinnen. An diesem Anspruch scheiterte er. Daheim bei Manager Uli Hoeneß, Heynckes’ Freund seit Weltmeister-Tagen 1974, vollzog man die Trennung.

Hoeneß hat sie bis heute weder vergessen noch verwunden: „Unsere Freundschaft hat nie gelitten. Ich habe damals gespürt, es ist ein Riesenfehler. Wir haben beide geheult wie die Schlosshunde.“

Später kamen bei Heynckes noch Stefan Effenberg und Brian Laudrup zu Besuch, damals leichtfüßige und -lebige Bayernspieler. Sie brachten guten Rotwein mit zum Trost. Heynckes hatte den Respekt der Spieler und war trotzdem seinen Job los. Das sollte ihm noch öfter passieren.

Sogar bei Real Madrid, 1998. Wäre Fußball Religion, wäre dieser spanische Klub so etwas wie der Vatikan. Und Heynckes, der sich zwischenzeitlich in Bilbao bewährt hatte, durfte nun hier herrschen über all den Glamour.

FC Bayern: Mit Daum lieferte er sich einen legendären Zoff

Zu Bayern-Zeiten hatte sein Kölner Trainer-Rivale Christoph Daum noch geätzt, Gespräche mit Heynckes seien so spannend wie die Wetterkarte. Und nun, in Spanien, trat dieser vermeintlich biedere Niederrheiner als polyglotter Startrainer auf. Er befehligte Weltstars in fließendem Spanisch, die Fans nannten ihn bewundernd „Don Jupp“. Heynckes schenkte ihnen den Sieg in der Champions League, endlich. Beinahe war er im Fußballhimmel. Aber dann wurde er vom Präsidenten entlassen, weil Real in der spanischen Meisterschaft nur Vierter geworden war.

Immer fehlte irgendwie ein Stück zum Paradies.

Irgendwann erschuf sich Heynckes sein eigenes. Eines, in dem er nicht Trainer war, sondern Mensch. Daheim auf dem Land, nahe an Mönchengladbach, baute er sich mit seiner Iris einen Resthof aus. Mit südländischem Einfluss, ein bisschen Provence, ein Schuss Katalonien, charmant und verspielt. „Casa de los Gatos“ haben sie es genannt, Haus der Katzen. Die haben es gut hier. Sie dürfen auch mal ihre Krallen an den antiken Möbeln wetzen, werden geschmust und finden ihre Ruhe. Vielleicht mehr als ihr Herrchen.

Die Schalke-Episode endete für Heynckes unrühmlich

Denn hatte Heynckes der Fußballwelt da draußen nicht noch etwas zu beweisen?

So kam also jenes Engagement in Gladbach zustande, das vor zwei Jahren so unrühmlich endete. Und auch eines zuvor bei Schalke 04.

Dort sollte Heynckes 2003 nach Jahren im Ausland sein glänzendes Bundesliga-Comeback feiern. Aber auch daraus wurde nichts. Rudi Assauer, der allmächtige Schalker Manager mit den süffigen Sprüchen, und Heynckes mit seiner Fußball-Akribie – das ging nicht. Kränkender als die Entlassung war für Heynckes vielleicht der Spruch, den Assauer ihm hinterher schickte: „Der Jupp ist ein Fußballer der alten Schule, aber wir haben 2004.“

Inzwischen ist 2009. Ab sofort kann Heynckes sie alle widerlegen, all die Assauers und Real-Präsidenten, die Kritiker und Kurven-Meckerer. Bayern ist die beste Bühne. Als sie ihn gefragt haben, ob er für fünf Spiele aushelfe, brauchte er fünf Minuten Bedenkzeit mit seiner Iris. Dann hat er eingewilligt. Am Telefon hat er zu Klubchef Karl-Heinz Rummenigge gesagt: „Über Geld brauchen wir gar nicht sprechen.“ Er kann nun in München viel mehr bekommen als nur Geld.

Michael Schilling

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.