Julian Nagelsmanns Herkules-Aufgabe: Hält sich der FC Bayern an der internationalen Spitze?

München - Die neue Attraktivität des FC Bayern. Man möchte für Spieler "anders sexy" sein, sagt Sportvorstand Hasan Salihamidzic. Und meint damit neben den Mia-san-mia-Werten und der Förderung der Jugend vor allem ihn: Julian Nagelsmann (33), den neuen Trainer, auf dem in den finanziell komplizierten Corona-Zeiten die größten Hoffnungen der Münchner ruhen. Nicht umsonst hat Nagelsmann einen Fünfjahresvertrag erhalten.
Der Coach soll bei Bayern an alte Erfolge anknüpfen und dabei den Sparkurs des Klubs mittragen. Eine Herkules-Aufgabe. Zumal die Ungeduld in München bekanntlich groß ist, wenn positive Ergebnisse ausbleiben. Bekommt Nagelsmann mehr Zeit als einige seiner Vorgänger?
"Top aufgestellt": Nagelsmann zufrieden mit aktuellem Bayern-Kader
"Mir ist nicht bange", sagt Vorstandschef Oliver Kahn. Der Gewinn der Champions League sei mit dem aktuellen Kader "natürlich absolut" zu erreichen. Solche Sätze erhöhen den Druck auf einen Trainer, bevor die Saison überhaupt begonnen hat. Und unklar ist, ob die Mannschaft in dieser Form überhaupt zusammen bleibt. "Wenn wir mit dem Kader in die Liga starten, sind wir absolut top aufgestellt", sagte Nagelsmann der "Sport Bild." Doch Spieler wie Niklas Süle, Corentin Tolisso oder Kingsley Coman sind Verkaufskandidaten.
"Er muss was tun, das weiß er, aber ich halte sehr, sehr viel von ihm", sagte der Coach über Süle, mit dem er bereits in Hoffenheim zusammenarbeitete. Der Abwehrstar habe "keine besonders glückliche letzte Saison gehabt", so Nagelsmann weiter. "Er bringt aber auch alles mit, was ein Weltklasse-Innenverteidiger haben muss, das darf man nicht vergessen. Wenn er die Einsicht hat, an seinen Baustellen zu arbeiten, und dazu jetzt noch einen Trainer bekommt, der ihn seit der U 16 kennt, bin ich zuversichtlich, dass er seine PS wieder auf die Straße bringt."
Während Bayern spart: Die Konkurrenz rüstet groß auf
Beim FC Bayern? Oder wechselt Süle zum FC Chelsea? Auf die Finanzkraft der englischen Rivalen blicken die Münchner mit Sorge. "Die Situation ist nicht einfach, wenn man sieht, wie einige Klubs investieren können", sagte Sportvorstand Salihamidzic über die im Transferfenster teils sehr aktive europäische Konkurrenz: "Gegen manche finanzielle Kräfte ist im Moment nichts zu machen."
Während Bayern sparen muss nach einem Umsatzverlust von 150 Millionen Euro, rüstet die internationale Konkurrenz gehörig auf. Paris St.-Germain erweiterte sein Starensemble etwa um Sergio Ramos, Achraf Hakimi, Georginio Wijnaldum und den italienischen EM-Helden Gianluigi Donnarumma. Manchester United überweist für Jadon Sancho mindestens 85 Millionen Euro an Borussia Dortmund, der FC Chelsea angelt derweil nach dem noch teureren BVB-Juwel Erling Haaland. Allerdings wohl zunächst erfolglos.
Nagelsmann hat Verständnis für die "finanzielle Situation im Fußball"
Quasi unmöglich für Bayern, da finanziell mitzuhalten. Bei PSG würden "Unsummen" investiert, "aber es ist bis heute noch nicht gelungen, die Champions League zu gewinnen", sagte Vorstandschef Kahn. Und der FC Bayern habe es in der Vergangenheit immer geschafft, die finanziellen Defizite durch die "unglaublich starke Erfolgskultur" zu kompensieren.
Aber eben auch mit einem sehr starken Kader. Ist das aktuelle Aufgebot gut genug für die Titeljagd in drei Wettbewerben? Der Trainer jedenfalls beschwert sich nicht. Die Größe und Qualität des Teams sei "völlig ausreichend", sagte Nagelsmann, 14 bis 15 Spieler würden ohnehin 90 Prozent der Spielzeit absolvieren. Auch für die "finanzielle Situation im Fußball" habe er Verständnis, in München gehe es jetzt "um die strategische Ausrichtung des Kaders für die nächsten Jahre", so Nagelsmann.
Was richtig und nachvollziehbar klingt, scheitert beim FC Bayern jedoch oft am Realitätscheck. Die Ergebnisse müssen stimmen. Immer.