Jürgen Klinsmann: Der Anti-Bayer
MÜNCHEN - Jürgen Klinsmann bleibt eine Reizfigur. Doch woher kommt die Abneigung der FC Bayern-Fans gegen den Trainer? Eine plötzliche, überraschende Entwicklung ist das nicht. Das weiß der Betroffene selbst am besten...
Eine der Lieblingsvokabeln von Jürgen Klinsmann lautet „Umdenkungsprozess“. Er bezieht das gerne auf die Mannschaft, sagt Sätze wie „Wir stecken mitten in einem tiefen Umdenkungsprozess bei den Spielern“. So, so.
Ob die Bosse, ob Manager Uli Hoeneß und der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge mittlerweile auch in einem Umdenkungsprozess stecken, was Klinsmann betrifft? Und das nicht erst nach dem Aus in der Champions League, vollzogen durch das 1:1 gegen Barcelona. Schon beim 4:0 gegen Frankfurt hatte es in der Allianz Arena „Klinsmann raus!“-Rufe gegeben. Am Dienstag wurden sie noch lauter, als Zugabe wurde nach Vorgänger Ottmar Hitzfeld gerufen.
„Diese Fans muss ich mit meiner Arbeit überzeugen – am besten geht das mit Titeln“, sagte Klinsmann am Tag danach tapfer. Beinahe stoisch nimmt er es hin, dass sich die Basis – der FC Bayern hat über 2500 Fanklubs und mehr als 177000 Mitglieder – mehr und mehr von ihm abwendet. „Ich kann das nur zur Kenntnis nehmen, ich möchte das aber nicht kommentieren“, sagte Hoeneß. Somit vermied er es, die Basis zu attackieren – nicht einmal das wäre nötig gewesen, er hätte einfach den Trainer in Schutz nehmen können. Er schwieg. Auch eine Aussage.
Woher aber kommt die Ablehnung gegen Klinsmann? Warum ist er der Anti-Bayer? Eine plötzliche, überraschende Entwicklung ist das nicht. Das weiß der Betroffene selbst am besten. „Ich bin von Tag eins empfangen worden als der, der bei der Nationalelf den Sepp (Bundestorwarttrainer Maier, d. Red.) durch den Andy Köpke ersetzt hat und der den Oliver vor der WM auf die Bank gesetzt hat. Und als derjenige, der damals gesagt hat: ,Vielleicht passt man nicht zueinander.’ Jeden Tag ist das kommuniziert worden, in den Medien, beim Bäcker, beim Metzger.“
1997 war das, am Ende seiner zwei Jahre als Stürmer. Trotz eines Torrekords im Uefa-Cup (15 Treffer) war er stets unbeliebt, als Einzelgänger schaffte er es nie, Bande zu den Fans herzustellen. Fußballerisch weitaus schlechtere Angreifer wie etwa Carsten Jancker bekamen dagegen das Attribut „Fußballgott“. Klinsmann ist und bleibt eine Reizfigur.
„Vielleicht kommen bei den Fans jetzt viele Dinge wieder hoch“, sagte Ex-Profi Klaus Augenthaler – Bayer durch und durch – der AZ, „der Fan hat immer ein ganz sensibles Gespür für so etwas.“ Und Bulle Roth meinte: „Ich glaube, dass Klinsmann und die Fans nur noch durch die Meisterschaft versöhnt werden können.“ Der Coach weiß, dass er „extrem ergebnisabhängig“ ist.
Dennoch will er seinen Vertrag erfüllen, er kämpft beharrlich und fordert neue Leute, „zwei, drei hochkarätige Spieler“. Die Fans fordern nur eines: Einen neuen Coach.
Patrick Strasser, Reinhard Keck, Stephan Maurer