Javis Rührstück: Bayerns bescheidener Supercup-Held Martínez

Budapest - Auf dem Siegerpodest, in dem Moment, in dem diejenigen, die meinen, ganz besonders wichtig zu sein, sich in die beste Position für die weltweit versendeten Fotos drängen, stand Javi Martínez abseits am Rande. In sich gekehrt, etwas entrückt.

Wenig später, als die Mannschaft mit der frischesten Silberware, die man zuvor mit dem 2:1 nach Verlängerung im Supercup gegen den FC Sevilla erworben hatte, zur Tribünenseite mit den meisten Bayern-Fans lief, wollte der Matchwinner nicht dorthin, wo er hingehörte: In den Mittelpunkt. Ins Rampenlicht.
Die Mitspieler schubsten den 32-Jährigen samt Pokal in der Hand in Richtung der ihm zujubelnden Anhänger. Martínez kämpfte mit sich und seinen Gefühlen, und das bereits direkt nach seinem Kopfballtreffer zum 2:1 in der 104. Minute, nur fünf Umdrehungen des Sekundenzeigers nach seiner Einwechslung.
Der stolze Baske, ein Mann von stattlicher Figur, der momentan sein Haar argentinisch anmutend lang trägt und ständig bändigen muss, hatte feuchte Augen.
Martínez steht kurz vor Wechsel nach Bilbao
Es war aber auch zu kitschig. Im Grunde war der Defensivspezialist schon weg. Aussortiert, weil er und sein kraftraubendes Spiel als Sechser oder Innenverteidiger in die Jahre gekommen waren. Er verlor an Tempo und Durchsetzungsvermögen, wurde ein - allerdings wichtiger - Ergänzungsspieler. Selbst die Teamkollegen zeigten sich überrascht, dass Martínez überhaupt noch mit nach Budapest flog – sein Wechsel nach acht Jahren in München zurück zu seinem Heimatverein Athletic Bilbao steht bevor.
Die Vereine müssen sich nur noch über die Ablösesumme von rund zehn Millionen Euro einigen, das dauert länger als vermutet. Die Transfergebühr wird angesichts des 2021 auslaufenden Vertrages eher darunter liegen. Eine Menge Abschiedsschmerz inklusive – beidseitig.
Martínez macht aus dem Triple das Quadruple
Als er in die Gesichter der Fans blickte, klopfte sich Martínez mit der rechten Faust auf das Klub-Wappen über seinem Herzen. Aus dem Triple machte der Abwehrrecke mit der Kopfballwucht eines Mittelstürmers sowohl 2013 als auch nun das Quadruple. Vor sieben Jahren, bei Bayerns erstem Supercup-Triumph gegen den FC Chelsea (5:4 nach Elfmeterschießen), köpfte er in Prag in der Nachspielzeit der Verlängerung das 2:2 und verhinderte die Niederlage. Nun das 2:1-Siegtor. "Eine tolle Sache" sei das gewesen, "ein Traum", gestand der Umjubelte.
"Unser Mister Supercup", taufte ihn Thomas Müller, "das war die Kirsche auf der Sahne." Trainer Hansi Flick nannte das Javi-Rührstück eine "absolut schöne Geschichte".
Javi bei den Bayern: Bescheiden und stets beliebt
In der Kabine ist Routinier Javi, geboren im baskischen Bergdorf Ayegui in Navarra, äußerst beliebt. Weil er sich stets zurücknimmt, ein absoluter Teamplayer ist und nach seiner Ankunft 2012 für die damalige Rekord-Ablösesumme von 40 Millionen Euro all die Spanier (ob ein Jahr später Thiago, dann Juan Bernat, Xabi Alonso, Pepe Reina und Álvaro Odriozola) integrierte. Flick betont bei jeder Gelegenheit, dass man sich auf "Javi immer zu 100 Prozent verlassen kann".
Ob der Wechsel noch vor dem Auswärtsspiel der Bayern bei der TSG Hoffenheim am Sonntag (15.30 Uhr) erfolgt, ist offen. "Wenn ich am Sonntag dabei bin, werde ich alles geben. Solange ich hier bin, werde ich alles tun, um das Trikot zu verteidigen und mich reinhauen", sagte Martínez. Es ist sein Credo, weniger als 100 Prozent gibt es nicht. "Ich will der Mannschaft immer helfen, diesmal mit einem Tor."
Martínez und sein Tor: Das perfekte Abschiedsgeschenk
Sein 14. Treffer im insgesamt 239. Pflichtspiel für die Bayern dürfte der letzte gewesen sein – das perfekte Abschiedsgeschenk. Durch den Abgang verliere die Mannschaft "einen super Kollegen und verrückten Vogel", meinte Müller, ohne das näher zu erläutern und rief ihm bereits nach: "Er hat dem Verein sehr viel gegeben."