In Schönheit gestorben

Binnen eines Jahres ist aus einem Team, das europaweit begeistertete und fast die Champions League gewann, eine Truppe geworden, die ins Verderben taumelt.
Patrick Strasser |
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Im Frust alleine: Philipp Lahm nach dem Aus durch das 2:3 gegen Inter Mailand
dapd Im Frust alleine: Philipp Lahm nach dem Aus durch das 2:3 gegen Inter Mailand

Binnen eines Jahres ist aus einem Team, das europaweit begeistertete und fast die Champions League gewann, eine Truppe geworden, die ins Verderben taumelt. AZ analysiert die Bayern-Krise

München - Am Mittwochmorgen tat’s noch mal weh. Und der Freitagmittag erst. Dann werden in Nyon die Viertel- und Halbfinals der Champions League ausgelost.

Die Bayern sind nur Zuschauer, erstmals seit fünf Jahren. Es herrschte Tristesse an der Säbener Straße am Tag nach dem bitteren Ausscheiden, dem 2:3 gegen Inter Mailand. Historisches hatten die Bayern verbockt. Als zweite Mannschaft überhaupt eine 1:0-Führung aus dem Hinspiel einer K.o.-Runde zu Hause noch vergeigt, dazu kam, dass man sich erstmals seit Oktober 1973 (ein 4:3 gegen Dynamo Dresden im Landesmeister-Wettbewerb) wieder drei Gegentreffer im eigenen Stadion einfing. Alle Titelchancen sind verspielt, sie können nur noch Schadensbegrenzung leisten – und zwar in der Bundesliga mindestens Rang drei erreichen.

„Es ist nicht leicht nach so einem Nackenschlag. Aber wir müssen am Samstag in Freiburg gewinnen”, sagte Kapitän Philipp Lahm und gestand: „Es ist schwierig, die Mannschaft jetzt zu motivieren. Bei uns geht es eigentlich immer bis zum Saisonende um Titel.” Es dürften zähe acht Wochen werden bis zum letzten Spieltag am 14. Mai.
Doch wer hat’s verbockt? Mannschaft, Trainer, Vorstand? Eine AZ-Analyse:

Louis van Gaal: 17 Viererketten-Varianten hat der Holländer in dieser Saison ausprobiert, auf Konstanz legte er nur in der Offensive Wert. Mangels Klasse wechselte er ständig durch, der defensive Block konnte sich nie einspielen. In der Winterpause riskierte er den – nicht wirklich notwendigen Torwartwechsel von Butt zu Kraft. Van Gaal hat es versäumt, Reservisten stark zu reden und ihnen Einsatzminuten zu geben, damit sie in entscheidenden Momenten helfen – Altintop konnte das am Dienstag nicht. Es ist löblich, dass sich van Gaal um spektakulären Fußball verdient machen will, unter Ottmar Hitzfeld wurden oft öde Verwaltungskicks geboten, allein das Ergebnis zählte. Den Kopf der Mannschaft, Kapitän Mark van Bommel, hat van Gaal im Januar gehen lassen. Ein Schlüsselfehler?

Die Mannschaft: Nun besteht die Gefahr, dass man im allgemeinen Frust übereinander herfällt. Erste Anzeichen dafür gibt es schon. Arjen Robben schimpfte über die Defensive („Wir machen immer wieder dieselben Fehler”) und Bastian Schweinsteiger moserte: „Wenn ein paar Spieler nicht mitmachen, verlierst du so ein Spiel.” Und: „Der Trainer gibt uns das ja vor, es ist nicht so, dass er nichts sagt.” Binnen eines Jahres ist aus einer Mannschaft, die europaweit begeistertete und beinahe die Champions League gewann, eine Truppe geworden, die regelmäßig Geschenke verteilt und von Angst gelähmt ins Verderben taumelt.

Die Bosse: Hat man van Gaal mit seiner Sturheit und sehr geringen Improvisationsfähigkeit zu lange gewähren lassen? Nach dem 6:0 gegen den HSV sah es so aus, als bekäme die Liaison van Gaal/Mannschaft noch die Kurve. Nun ist man gezwungen, die Sache mit dem Trainer auf Zeit bis Saisonende durchzuziehen. Oder handelt man nach einer Pleite in Freiburg?

Es war eines der besten Spiele der letzten Jahre in München – am Ende ist der FC Bayern in Schönheit gestorben. „Das war ein Stich ins bayerische Herz”, sagte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge. Man hat sich selbst einen Magenschwinger verpasst. Die Frage ist, wann man sich davon erholt – oder ob überhaupt. 

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