Im Anflug: Der „harte van Gaal“

MÜNCHEN - Der Bayern-Trainer bleibt bis auf eine mögliche Änderung auch beim Auswärtsspiel am Dienstag (20 h) in Hoffenheim bei seiner Formation, warnt die Spieler aber schon: „Wir müssen oben stehen“
Und plötzlich war man mittendrin. Die Reporter wähnten sich in einer Spielersitzung. Louis van Gaal wurde lauter und lauter während des Gesprächs mit den Journalisten am Montagvormittag an der Säbener Straße und schlug unvermittelt mit der Faust auf den Tisch. Man bekam eine Ahnung davon, was ein Spieler erleben dürfte, wenn er seine Position nicht hält oder einen anderen Fehler begeht.
Das Kapitalverbrechen: Nicht mitzuziehen, es locker angehen, gar schleifen lassen. „Ich mache alles, die Spieler machen alles, und sie wollen alle. Alle Spieler müssen immer wollen. Aber das ,Wollen’ ist nicht genug. Wenn sie nicht wollen, dann werden sie nicht im Kader stehen. Die Spieler müssen wollen, sonst bin ich ein sehr harter van Gaal“, betonte der Trainer. Er hätte es nicht eindringlicher sagen können. Die Botschaft: Noch ist er es nicht. Noch ist van Gaal milde, geradezu soft. Er setzt vor dem Auswärtsspiel am Dienstag beim Tabellenzweiten TSG Hoffenheim (20 Uhr, Liveticker bei abendzeitung.de) auf die Erfahrung der letzten Saison, als der Start ähnlich mies war. Er glaubt an sich und seine Erfahrung, natürlich auch an seine Mannschaft. „Ich mache den Spielern keine Vorwürfe, ich kommentiere die Leistung, übe Kritik.“ Zu viel davon sei nicht angebracht – denn: „Man kann vom FC Bayern nicht sagen, dass wir schlecht spielen. Wir spielen viel besser als letztes Jahr.“ Korrekt. Und deshalb bleibt er auch bei seiner Formation und lehnt die Rotation weiter ab.
Problem eins: Der Gegner spielt nicht mit. Siehe Köln. Das ewige Lied mit den Defensiv-Flüchtlingen. Hoffenheim ist anders, erzielte bereits neun Tore und Trainer Rangnick „eine Ausnahme“ wie van Gaal lobte. Problem zwei: Die Bayern schießen keine Tore mehr. Schon seit 271 Minuten nicht, zum historischen Liga-Minusrekord der Vereinsgeschichte fehlen nur 72 Minuten. Die Stichminute hierfür: Dienstag, ca. 21.27 Uhr.
„Ich kann nur das Spiel entwickeln, aber ich kann kein Tor schießen. Und das kann man auch nicht trainieren“, meinte van Gaal. In Hoffenheim darf sich wohl wieder Ivica Olic anstelle von Miroslav Klose an vorderster Front versuchen, den Negativrekord abzuwenden. Nicht nur den. Van Gaal weiß auch, dass sich der Druck von Partie zu Partie erhöht, er sagt: „Wir sind eine Spitzenmannschaft, wir müssen oben stehen.“ Müssen. Ein Wort, das sehr oft gefallen ist nach dem 0:0 gegen Köln. „Wir müssen noch konsequenter die Tore erzwingen.“ (Torhüter Butt). „Wir müssen am Dienstag damit anfangen, dass es besser wird.“ (Müller). „Wir müssen gewinnen, es gibt nichts anderes.“ (Badstuber).
Kann man Siege erzwingen, Herr van Gaal? „Das ist meine Philosophie. Man muss das Glück erzwingen, wenn alle Spieler 100 Prozent topfit, topmotiviert sind.“ Sie wissen, dass sie müssen. Sonst lernen die Spieler den anderen van Gaal kennen.
Patrick Strasser