Hummels: "Es war eine Überwindung"
Vor seinem vielleicht ersten Pflichtspiel für Deutschland in der EM-Qualifikation gegen Kasachstan erinnert sich der 22-Jährige, wie schwer es für ihn war, München zu verlassen.
AZ: Herr Hummels, Sie sind in München aufgewachsen. Wenn Sie mit der Borussia den Sieben-Punkte-Vorsprung auf Leverkusen nicht mehr verspielen, steht im Mai eine Meisterparty in Dortmund an – werden Sie dann auch zum Weißbier-Verschütter aus diesen Riesengläsern?
MATS HUMMELS: Keine Ahnung, ich weiß nicht, was man im Revier macht, ich bin ja auch ein Zugewanderter.
Pilsgläser wären da ja nicht so geeignet.
Sollte es dazu kommen – und dafür müssen wir erstmal ein bisschen besser spielen als zuletzt – dann werden wir eine angemessene Methode finden, zu feiern. Möglichkeiten gibt’s genug.
Es wäre Ihr erster Vereinstitel seit der B-Jugend-Meisterschaft 2007 – mit Bayern.
Damals haben wir höchstens Spezi verschüttet.
Wie oft sind Sie noch in München? Ihre Eltern leben dort, Ihr jüngerer Bruder Jonas spielt für die zweite Mannschaft von Unterhaching.
In der Sommer- und Winterpause bin ich für ein oder zwei Wochen meist in München, dort lebt meine Familie, dort habe ich Freunde, die ich zum Teil noch aus Schulzeiten kenne. München ist der Fixpunkt von uns allen. Ansonsten kommen sie auf einen Kurztrip und besuchen mich in Dortmund. Momentan ist das Revier meine zweite Heimat. Das hängt ja immer davon ab, wo die Leute sind, die einem wichtig sind.
In München bedauern viele, dass man Sie damals hat gehen lassen. Erst die Ausleihe im Januar 2008, dann der Verkauf 2009.
Das war damals die Saison, als Lucio und Demichelis den immer noch gültigen Defensivrekord mit nur 21 Gegentreffern aufgestellt haben. Ich konnte und kann nachvollziehen, dass sich die Bayern gesagt haben: Das machen wir, die Chancen für Hummels zu spielen, sind nicht sonderlich gut.
Wie schwer war es für Sie, München zu verlassen?
Schwer – schon bei der Ausleihe. Das war ein schwieriger Schritt für einen 19-Jährigen. Das hat Überwindung gekostet, ich wollte nicht weg aus München – auch wenn die Vernunft gesagt hat: Du musst das tun. Als die Bayern ein Jahr später nicht abgeneigt waren, mich zu verkaufen, war mir klar, dass nur entscheidend ist, wo ich mich sportlich wohlfühle.
Wie hat Ihr Vater reagiert?
Er war einverstanden.
Er ist bei Bayern angestellt, arbeitete früher als Jugendtrainer, nun deutschlandweit als Scout.
Aber er verrät mir nicht jedes Mal, wenn er einen Spieler sichtet, wo und wen.
Ist Ihr Vater der härteste Kritiker nach den Spielen?
Ja, nicht direkt nach Ende, aber im Laufe des Abends meist noch. Wenn es so läuft wie beim 1:1 gegen Mainz, sage ich ihm, er soll erst einen Tag später anrufen. Mal gibt’s Lob, meist aber ist er sehr kritisch. Die Mama
Am Samstag geht es in der EM-Quali gegen Kasachstan. Hoffen Sie auf Ihren ersten Pflichtspieleinsatz nach drei Testspielen?
Klar mache ich mir Hoffnungen. Es ist nicht leicht, wir haben noch drei Spieler
Sie haben das Glück, mit den momentan erfolgreichsten Trainer Deutschlands arbeiten zu dürfen: Dortmunds Coach Jürgen Klopp und Nationaltrainer Joachim Löw. Gibt es Parallelen?
Beide arbeiten sehr durchdacht. Die Trainingsinhalte zielen immer auf etwas Bestimmtes ab. Sie sind entweder auf die Gegner zugeschnitten oder es dreht sich darum, was wir im letzten Spiele falsch gemacht haben. Dass Klopp am Spielfeldrand extrovertierter ist, sieht man ja.
Klopp war ein Segen für Ihre Karriere.
Ja, er hat mir und Neven Subotic sehr früh vertraut. Er war sehr wichtig für mich.
Und bei Bayern war der Mann Hermann Gerland?
Ja, er war der wichtigste Faktor für mich. Er hat mich mit 17 Jahren in der Regionalliga, damals Dritte Liga, spielen lassen. Er kann sich auf seine Intuition und sein Auge verlassen. Ich bin unter Felix Magath mal reingerutscht, durfte mal auf die Bank – gerade in der Champions League waren das besondere Momente. Unter Ottmar Hitzfeld war das dann weniger der Fall.
Haben Sie schon mal Ihren Wechsel zum BVB bedauert?
Nein, niemand weiß, was gewesen wäre, wenn ich bei Bayern geblieben wäre: vielleicht besser, vielleicht ganz bescheiden. Ich bin froh, dass es so gekommen ist.