Hopps Zickzack-Absturz
Hoffenheim mischte 2008 die Liga auf. Vor dem Spiel gegen die Bayern steckt der Klub mitten im Abstiegskampf. Die AZ nennt Gründe.
Zuzenhausen - Es war knapp im Dezember 2008, 2:1 gewannen die Münchner ein enges Spiel. 1899 Hoffenheim, frisch aufgestiegen, war damals so etwas wie eine Bedrohung für die Bayern.
Viel ist davon nicht übrig geblieben. Aus der Bedrohung ist ein Pflegefall geworden, dem vor dem Duell gegen den FC Bayern am Sonntag um 15.30 Uhr der Absturz in die zweite Liga droht.
Das wäre mehr als ein Rückschlag für einen Klub, der mit dem Plan angetreten ist, die Fußballwelt zu revolutionieren, die im Gewächshaus des Mäzens und Milliardärs Dietmar Hopp zur Blüte reifen sollten. Wer, fragte sich die Branche, sollte die super-reichen Hoffenheimer stoppen? Wie sich bis heute zeigte, schossen sich die Gipfelstürmer selbst vom Fußball-Himmel, die Probleme sind hausgemacht.
Nicht nur auf dem Rasen ging es vor Weihnachten 2008 hoch her. Der Emporkömmling, gefeiert für grandiosen Angriffsfußball, probte den Aufstand. „Wenn Sie flotte Sprüche hören wollen, müssen Sie nach München fahren. Wenn Sie guten Fußball sehen wollen, sind Sie in Hoffenheim richtig”, legte Hoffenheims Trainer Ralf Rangnick vor. „1899? Ich frage mich: Wo haben die sich 100 Jahre lang versteckt?”, frotzelte Kalle Rummenigge. Uli Hoeneß attackierte Hoffenheims Bernhard Peters im Kabinentrakt und warf Rangnick „Größenwahn” und „Besserwisserei” vor.
Lang, lang ist’s her. Heute sagt Hoffenheims Manager Andreas Müller: „Die Mannschaft ist in einem Bereich, in dem sie noch nie war.” Kapitän Andreas Beck sagt: „Wir sind von der derzeitigen Situation überrascht.” Das Team kann mit Abstiegskampf nicht umgehen.
Zu vielfältig sind die Probleme in dieser Saison, als dass man sie wirklich alle benennen könnte. Da wäre etwa, in der Öffentlichkeit fast schon vergessen, der schwere Verkehrsunfall des U-21-Spielers Boris Vukcevic kurz nach Saisonstart. Der Offensivmann war nach einem Unterzuckerschock von der Fahrbahn abgekommen, lag wochenlang im Koma. Von diesem Schock hat sich die Mannschaft bis heute nicht erholt. Viel schwerer zu verstehen ist dagegen der tiefe Fall von Tim Wiese. Als Nationalkeeper mit großen Sprüchen („Ich will in die Champions League mit Hoffenheim”) aus Bremen gekommen, ist er mittlerweile nur noch Keeper Nummer drei. Trainer Marco Kurz nahm ihn sogar kurzfristig aus dem Trainingsbetrieb – offiziell, um ihn zu schützen. Wiese bedankte sich auf seine Art: mit einem nicht genehmigten Besuch bei einer Faschingsfeier samt Streiterei.
Das Hauptproblem aber scheint, dass die Verantwortlichen des wohl unpopulärsten Bundesligaklubs nicht genau zu wissen scheinen, wohin sie wollen. Es klang nach Verzweiflung, als Müller erst ankündigte, man wolle zur ursprünglichen Linie mit jungen Leuten zurückkehren. Im Winter gab er 13 Millionen für neue Spieler aus. Seit der Entlassung von Rangnick im Januar 2011 leistete sich Hoffenheim einen Zickzackkurs. Ex-Löwe Kurz ist der fünfte Trainer in zwei Jahren.
„Es sind Fehler gemacht worden, die wir korrigieren wollen, dafür sind wir da”, sagte Müller. Die „Fehler” allerdings haben ihren Ursprung auch in der Nähe des Gesellschafters Dietmar Hopp, der wankelmütig agierte in den letzten Jahren. Hopp erklärte nun, er werde im Falle des Abstieges mit der gleichen „Intensität und Leidenschaft” weitermachen.