Interview

Holger Badstuber im AZ-Interview: "So eine Auswechslung geht auch an Müller nicht spurlos vorüber"

Holger Badstuber (33) spricht im exklusiven Interview mit der Abendzeitung über Ex-Mitspieler Müller, Pläne nach der Karriere, die Bayern-Probleme und Nagelsmann: "Man darf keine Angriffsfläche bieten".
von  Maximilian Koch
Thomas Müller wurde gegen Gladbach früh von Julian Nagelsmann (re.) ausgewechselt.
Thomas Müller wurde gegen Gladbach früh von Julian Nagelsmann (re.) ausgewechselt. © IMAGO/Laci Perenyi

AZ: Herr Badstuber, Sie haben im vergangenen September offiziell Ihre Karriere beendet. Fehlt Ihnen das Fußballgeschäft?
HOLGER BADSTUBER: Nicht unbedingt. Ich kann gut mit Dingen abschließen, und ich weiß, dass ich alles investiert habe, was möglich war. Deswegen kann ich da einen guten Cut setzen. Jetzt geht es in den nächsten Abschnitt meines Lebens, darauf freue ich mich sehr. Ich bin ein strukturierter Mensch, daher fällt mir mein neuer Alltag nicht schwer. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich wirklich unabhängig, und das Gefühl genieße ich wirklich sehr.

Sie haben in Ihrer Laufbahn viele Titel mit dem FC Bayern geholt, hatten aber auch immer wieder mit schweren Verletzungen zu kämpfen. Unter dem Strich: Welches Fazit ziehen Sie?
Es war eine unglaublich facettenreiche Karriere. Das sind Erfahrungen, die mir keiner nimmt - und die ich auch weitergeben möchte. Klar: Insgesamt war ich vielleicht nicht der Spieler, der ich hätte sein können, weil mich bestimmte Umstände wie Verletzungen daran gehindert haben. Dennoch habe ich immer versucht, das Beste aus mir herauszuholen. Dieses Streben nach dem Maximum war immer da, und ich habe immer versucht, meine Werte in den Fußball bestmöglich zu integrieren. Das gibt mir auch jetzt diese innere Ruhe für neue Aufgaben.

Holger Badstuber (l.), hier im Gespräch mit AZ-Redakteur Maximilian Koch, hat 2022 seine Karriere beendet. Derzeit macht er den Trainerschein.
Holger Badstuber (l.), hier im Gespräch mit AZ-Redakteur Maximilian Koch, hat 2022 seine Karriere beendet. Derzeit macht er den Trainerschein. © AZ

Badstuber: "Ich werde dem Fußball wohl erhalten bleiben"

Sie machen gerade den Trainerschein. Dient Ihnen da auch Ihr Vater Hermann als Vorbild?
Natürlich habe ich durch meinen Vater mitbekommen, wie es in der Trainerzunft zugeht. Vielleicht ist der Trainerjob ein bisschen in meiner DNA verankert. Aber ich möchte mich nicht auf diesen einen Weg festlegen, ich kann mich für viele Dinge begeistern. Das Wichtigste ist: Ich muss dafür brennen. Ich kann mir auch vorstellen, Spieler beratend zu begleiten. Nicht in der Form, dass ich Verträge aushandele, sondern dass ich mich um den Menschen und um die bestmögliche sportliche Leistung kümmere. Gerade in schwierigen Phasen brauchen Spieler Unterstützung, das weiß ich selbst aus meiner aktiven Karriere. Da ich inzwischen eine ganz andere Perspektive auf den Fußball als zu meiner aktiven Zeit habe, könnte ich mir auch vorstellen, analytisch den Fußball zu beobachten und mich da auszutauschen. Was ich sagen kann: Ich werde dem Fußball wohl erhalten bleiben.

Sie haben selbst unter Trainergrößen wie Louis van Gaal, Jupp Heynckes und Pep Guardiola gespielt. Von welchem Coach haben Sie besonders viel mitgenommen?
Das waren drei großartige Trainer mit ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten. Mit Louis van Gaal ging beim FC Bayern eine neue Ära los, mit dem Spielstil, mit der Wahrnehmung in ganz Deutschland. Auch in der Nationalmannschaft hat sich durch van Gaal einiges positiv entwickelt. Er ist sicher eine dominante Person und eben auch ein Trainer, der dich voranbringen will. Er möchte professionelle, lernwillige Spieler in seiner Mannschaft haben. Und er fordert, fordert, fordert. Das war bei Pep Guardiola ähnlich, er hat immer wieder an Details gearbeitet. Jupp Heynckes hat mir besonders durch seine Menschlichkeit imponiert, das ist seine ganz große Gabe. Diese Vertrautheit zu seinen Spielern, dieses Gefühl dafür zu haben - das ist sehr speziell.

Wie wichtig ist gerade der Aspekt der Menschenführung bei einem Klub wie Bayern?
Bei Topmannschaften ist genau das der wichtigste Punkt. Es gibt Fitness, Taktik, Spielsysteme, aber wenn du eine Mannschaft hinter dich bringst, sodass diese Topspieler dir vertrauen und folgen, kannst du alles erreichen, dann bist du kaum aufzuhalten. Natürlich ist das Ego der Spieler in großen Mannschaften riesig, aber Heynckes hat es geschafft, das gesamte Konstrukt zu führen. Er ist der Meister darin.

Badstuber: "Es stimmt gerade einfach nicht zu einhundert Prozent beim FCB"

Julian Nagelsmann kann mit 35 Jahren noch gar nicht die Erfahrung und Reife eines Heynckes haben. Wie sehen Sie seine Entwicklung, seit er Bayern 2021 übernommen hat?
Bayern ist für Nagelsmann nach den Stationen Hoffenheim und Leipzig eine ganz andere Nummer, auch medial. Man darf als Bayern-Trainer keine Angriffsfläche bieten, sondern muss versuchen, den Fokus allein aufs Sportliche zu lenken. Doch das gelingt Nagelsmann nicht immer. Jeder sagt, dass Nagelsmann ein taktisch hervorragender Trainer ist, daran gibt es keinen Zweifel. Als Bayern-Trainer solltest du so souverän sein, dass die Spieler die Stars sind, über die mehr geredet und diskutiert wird. Es liegt an Julian Nagelsmann selbst, ob er die öffentliche Wahrnehmung und das momentane Bild, welches fragil wirkt, verändern möchte.

Warum wirkt das Bayern-Gebilde denn generell so wacklig?
Es macht den Eindruck, dass die Störfeuer, die selbst verursacht wurden, für Instabilität gesorgt haben. Aber jetzt kommen die entscheidenden Wochen, da muss man da sein. Ich glaube nach wie vor, dass Bayern in der Champions League gegen Paris weiterkommt und Deutscher Meister wird, doch so eng war es schon einige Jahre nicht mehr. Es stimmt gerade einfach nicht zu einhundert Prozent beim FCB. Mit diesen Transferausgaben und dieser Qualität in der Breite erwarte ich aber schon, dass Bayern souveräner die Bundesliga gewinnt.

Was bereitet besonders Sorgen?
Als ehemaliger Abwehrspieler schaue ich mir speziell die Defensivleistung an. Eigentlich sollte es das Ziel sein, eine Hausmarke an Gegentoren nach 34 Spieltagen anzupeilen, 20 wäre eine Zahl. Jetzt sind es schon 21. Mit diesem Kader und diesen Abwehrspielern müssen weniger möglich sein. Ich vermisse die Vertrautheit der Spieler untereinander und den unbedingten Willen, Tore zu verhindern. Eben nicht nur gegen PSG, sondern auch gegen vermeintlich deutlich schwächere Gegner. Bayern wirkt nicht so dominant und souverän aktuell. Die Balance zwischen Offensive und Defensive stimmt nicht.

Fehlt auch ein Abwehrchef wie David Alaba?
David Alaba abzugeben, war sicher ein Fehler. Das haben die Verantwortlichen auch eingesehen. Da hätten beide Parteien anders agieren müssen, damit David als Spieler aus dem Nachwuchs und Legende des Klubs weiter den Laden hinten schmeißt. Einer wie David wird vermisst, ganz klar. Einer, der in der Abwehrkette souverän auftritt, der gefährliche Situationen mit seiner Kommunikation und Körpersprache löst. Damit zeigt man auch dem Gegner: Heute ist nichts zu holen! Es werden viel zu viele Chancen zugelassen. Man gibt dem Gegner dadurch das Gefühl: Hier geht was. Das kenne ich eigentlich anders vom FC Bayern.

Alaba ist nicht der einzige Leader, der weggebrochen ist. Robert Lewandowski und Thiago haben den Klub verlassen, Manuel Neuer fällt nun lange aus, Thomas Müller hat seinen Stammplatz nicht mehr sicher. Hat Bayern ein Führungsproblem?
Joshua Kimmich hat allein durch seine Position im zentralen Mittelfeld eine Leaderrolle. Aber dafür muss er in seiner Stärke und körperlich auf einem Top-Level sein In den vergangenen Monaten hat er eine kleine Delle gehabt, auch durch die WM. Thomas Müller ist nach wie vor ein immens wichtiger Faktor - durch seine Kommunikation, durch seine Art, wie er seine Mitspieler auf dem Platz führt. Ich denke aber, dass so eine Auswechslung wie am Wochenende in Mönchengladbach auch an Thomas Müller nicht spurlos vorüber geht.

Badstuber: "Ich traue Thomas noch einige Jahre zu"

Als Julian Nagelsmann den Kapitän in der 16. Minute aus taktischen Gründen vom Feld genommen hat, weil Dayot Upamecano die Rote Karte gesehen hatte. . .
Genau. Die Mannschaft kriegt das ja auch mit. Für mich ist Thomas eine wichtige Säule des FC Bayern, der durch seine Erfahrungen ein wichtiger Faktor in den nächsten Monaten sein wird.

2024 läuft Müllers Vertrag aus. Welche Perspektiven hat Müller bei Bayern?
Wir reden hier von einem der Top-5-Spieler, die der FC Bayern jemals hatte - anhand von Spielen, von Titeln und von den Werten, die der vertritt. Ich weiß, dass Thomas immer noch alles dem Fußball unterordnet. Und ich traue ihm noch einige Jahre zu.

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