Hoeneß: "Wir sind doch nicht beim Lukaschenko"
AZ: Herr Hoeneß, 1:3 in Borisov verloren. Das haben Sie sich sicher anders vorgestellt.
ULI HOENESS: Wieso? Ich finde, wir haben ein super Fußballspiel gesehen gegen einen sehr starken Gegner. Die haben eine sehr gute Mannschaft, sind sehr ballsicher, spielen sehr hart, mit einem überragenden Torwart. Wir hätten eben in Führung gehen müssen. Wenn Toni Kroos den Ball ins Tor statt an den Pfosten geschossen hätte, wäre die ganze Geschichte wohl anders ausgegangen.
War es möglicherweise eine Niederlage zur rechten Zeit?
Nein, das gibt es nicht. Wir haben gegen einen sehr starken Gegner verloren. Das passiert. Die Mannschaft hat nach dem Rückstand gut reagiert, nach dem 0:2 haben wir alles auf eine Karte gesetzt. Allein in den letzten zehn Minuten hatten wir eine Fülle an Chancen. Wenn man zurück liegt und erarbeitet sich keine Chancen, dann werde ich nervös. So aber empfinde ich unsere Lage überhaupt nicht als dramatisch.
Uns scheint, Matthias Sammer hat am Samstag in Bremen vor genau so einem Spiel gewarnt. Jupp Heynckes hat sich in Borisov gegen diese Art der Kritik gewehrt.
Das ganze Thema wurde viel zu sehr hochgekocht zwischen Samstag und Dienstag. Ich finde, dass ein Manager seine Meinung sagen darf. Es ist seine Aufgabe, dass er mal den Finger in die Wunde legt. Ich habe 30 Jahre nichts anderes gemacht.
Aber genau dagegen hat Heynckes sich doch gewehrt...
Weil von Anfang an versucht wurde, die beiden gegeneinander auszuspielen. Es wurde ständig versucht, den Matthias zu überhöhen und den Trainer herunterzuspielen – und das nervt ihn natürlich.Das hat der arme Jupp gar nicht verdient, er macht diese Saison einen einen super Job. Und der Matthias macht einen super Job. Das muss man einfach mal akzeptieren. Und außerdem...
Ja, bitte?
Das Problem ist dieses alberne Internet, das macht alles kaputt. Zum Glück bekomme ich 80 Prozent davon gar nicht mit. Wenn ich auf der Tribüne sitze neben Karl-Heinz Rummenigge, dann kriegt der ständig Nachrichten auf sein Handy und sagt: „Du, hast du das mitgekriegt?“ Dann sage ich: „In meinem Handy steht gar nichts drin! Nur eine einzige Telefonnummer. Sonst nichts.. Deswegen kann ich auch so ruhig schlafen.
Aber es ist ja nicht zu leugnen, dass die beiden bei dieser Frage unterschiedlicher Meinung sind.
Wenn man einen starken Sportdirektor hat – den haben wir jetzt glücklicherweise – dann wird es immer wieder solche Unstimmigkeiten geben. Ich bin überzeugt davon, dass die beiden sich aneinander anpassen werden. Da sehe ich überhaupt kein Problem. Und ganz grundsätzlich...
Ja?
Sammers Kritik war weder in der Form, noch in der Sache ungerechtfertigt, ich bin der Meinung, dass man das so akzeptieren muss. Er ist ein Partner des Trainers auf Augenhöhe und ich finde, dass er das absolut machen kann. Und damit fällt Jupp Heynckes in keinster Weise ein Zacken aus der Krone. Das muss er aushalten.
Nun herrscht aber auch Verwirrung darüber, ob Sammers Generalkritik abgesprochen gewesen war mit Heynckes oder nicht. Sammer hat dies so behauptet, Heynckes hat dem widersprochen.
Aber bitte! Hier muss doch keiner etwas absprechen. Wo sind wir denn? Wir sind doch nicht in Weißrussland, wo man alles mit dem Lukaschenko absprechen muss. Wir leben in einer freien Demokratie, jeder darf eine Meinung haben und sie auch äußern. Und es kann immer wieder zu Kontroversen kommen, sonst hätten wir ja gleich alles so lassen können wie es war. Es gibt einen Spruch aus der Wirtschaft. A-Führungskräfte holen sich A-Mitarbeiter, B-Führungskräfte holen sich B-Mitarbeiter. Wenn ich mir A-Mitarbeiter hole, dann muss ich auch mal akzeptieren, dass sie mal ihre eigene Meinung äußern.
Auch wenn es dadurch zu Reibereien kommt?
Nur durch Reibung gibt es gute Leistungen, wenn alles einschläft, werden wir nichts gewinnen. Haben Sie schon einmal eine perfekte Ehe ohne Reibereien erlebt?