Hoeneß: Öfter mal Krawatte
Als Bayern-Präsident will sich Uli Hoeneß ganz bewusst umstellen – auch optisch.Er wird seltener ins Büro gehen und fährt erstmals seit 39 Jahren nicht mit in ein Trainingslager.
MÜNCHEN Bei Carmina Burana wurd’s dann feucht. Der Filmemacher hatte die dramatischen, pompösen Klänge von Carl Orff gewählt, um den Film über das Leben des Bayern-Managers zu unterlegen. Der Streifen lief über die riesigen Großbildleinwände in der Halle C1 der Messe München lief, und als Uli Hoeneß am Freitagabend Uli Hoeneß sah, konnten die Mitglieder sehen, wie der leibhaftige Hoeneß Tränen in den Augen hatte. Er kämpfte. Mit den Gefühlen und gegen die Tränen. Bei der Video-Zeitreise in seine Vergangenheit wurde ihm plötzlich die Zukunft vor Augen geführt.
Hoeneß heißt jetzt nicht mehr Manager, er heißt Präsident. Später rekapituliere er seine Häutung: „Da habe ich gedacht: ,Oh, jetzt ist dann doch Schluss!’ Da habe ich zum ersten Mal gemerkt, dass ein ganz anderer Tag ist als sonst. Das ist schon an die Nieren gegangen.“
Über 99 Prozent. Eine SED-Mehrheit für den neuen Ober-Bayern, freilich bei freien Wahlen. 4458 Mitglieder zeigten ihm die Rote Karte, stimmten per Akklamation für Hoeneß als Nachfolger von Franz Beckenbauer. In seiner Antrittsrede erlitt Hoeneß noch einmal einen kurzen Rückfall, war plötzlich wieder ganz Manager, die gewohnte Abteilung: „Wir müssen der Klub sein, der nicht arrogant, aber selbstbewusst und zielstrebig seine Ziele gnadenlos anstrebt und am Ende auch verwirklicht.“
Gnadenlos. Nicht ganz präsidiale Wortwahl, ein einziges Mal. Uli Hoeneß wechselte ja in ein anderes Amt, nicht in eine andere Seele.
Dennoch erfindet, nein, muss sich Hoeneß neu erfinden als Präsident und künftiger Aufsichtsratsvorsitzender. Ein kurzer Abriss über den neuen Hoeneß:
Er schaut anders aus
Hemd und Pullunder müssen in die Kiste. „Mein Pullover-Bedarf wird sich etwas reduzieren, mein Sakko-Bedarf wird sich etwas steigern“, bilanzierte er auf der Pressekonferenz kurz nach Mitternacht. Die Entwöhnung hatte er schon in letzter Zeit vorangetrieben, man sah ihn häufiger mit Krawatte. „Die eine oder andere wird jetzt aus dem Schrank geholt“, sagte er, „in der Außendarstellung muss man sich ordentlich kleiden.“ Ein Fall für Susi Hoeneß, seine Frau?
Er hat andere Termine
Opulentes Essen gibt es nun schon vor Champions–League-Spielen, mittags mit dem Präsidium des Gegners. „In den Gremien der Uefa und Fifa wirst du künftig gebraucht werden, da wird dein Sachverstand benötigt“, sagte Ex-Präsident Beckenbauer. Ob Hoeneß auch Multi-Amtsträger wird wie der Kaiser? Der prognostizierte: „Die ganz großen Firmen, die Sponsoren wollen weiter mit dem Uli reden.“
Er bleibt öfter in München
Hoeneß hat angekündigt, nicht jeden Tag an der Säbener Straße zu sein. Ob er das durchhält? „Mein Vorteil gegenüber dem Franz ist, dass ich nur 30 bis 35 Minuten von München weg wohne. Ich kann ja auch bei Bedarf in der Stadt übernachten.“
Ins Trainingslager nach Dubai (3.-10.1.) reist Hoeneß „ganz bewusst, um einen Schnitt zu machen“ nicht mit – erstmals seit 1970. Christian Nerlinger, der Sportdirektor, soll flügge werden. Auch für ihn war dieser Freitag eine Zäsur. „Ich werde ihm helfen, so gut es geht“, sagte Hoeneß, „aber ich will ihn nicht erdrücken. Er hat noch nie alleine mit einem Spieler über Millionen-Gehälter verhandelt – das braucht Zeit.“
Schließlich verkündete der neue Präsident das neue, alte Motto: „Wir müssen dieses Mia-san-mia leben!“
Patrick Strasser