Hoeneß: Neuer – oder keiner

Der Manager sieht im Bayern-Tor auch weiter Perspektiven für Michael Rensing – und gibt zu, wie schwer ihm der Abschied von der Bank fällt.
AZ: Herr Hoeneß, zur neuen Saison steigen Sie auf. Eine völlig neue Perspektive wird sich für Sie auftun – vom Banknachbarn aller Trainer der letzten 30 Jahre zum Tribünengast.
ULI HOENEß: Ich war ja schon vor Beginn der letzten Saison bereit, mich von der Bank nach oben auf die Tribüne zu setzen, doch Jürgen Klinsmann hatte mich gebeten, an seiner Seite zu bleiben. Das habe ich dann auch gerne gemacht.
Und nun? Steht Ihr Entschluss? Das 2:1 gegen Stuttgart am 34. Spieltag in der Allianz Arena – war das Ihr letztes Mal auf Höhe der Grasnarbe?
Ja, zur neuen Saison werde ich in Pflichtspielen nicht mehr auf der Bank sitzen. Das steht fest, dabei bleibe ich. Höchstens in kleineren Stadien, wenn wir irgendwo ein Freundschaftsspiel absolvieren und die Infrastruktur nicht gegeben ist. Ich weiß aber noch gar nicht, ob Louis van Gaal wünscht, dass jemand aus dem Management wie Christian Nerlinger da unten sitzen soll. Dennoch: Dieser Wechsel markiert für mich persönlich einen großen Einschnitt in meiner Arbeit.
30 Jahre hautnah dabei – mit all den Gefühlen, Triumph und Trauer, den Wortgefechten, den Tipps, dem Schweiß als Geruch des Spiels. Alles Vergangenheit. Traurig?
Das war immer sehr emotional. Aber ich habe auf der Bank bei allen Trainern stets nur meine Meinung gesagt, keinen Einfluss auf Taktik oder Einwechslungen genommen, nichts reingerufen oder eingegriffen. Es war eine tolle Zeit.
Am liebsten haben Sie nach Toren mit dem jeweiligen Trainer abgeklatscht – mit wem jubeln Sie künftig auf der Ehrengasttribüne.
Ich kenne mich da oben nicht aus, vielleicht sitzt dann meine Frau (Susi, d.Red.) neben mir. Ich weiß noch nicht mal, ob man aus dieser Distanz, mit dieser Perspektive so richtig Emotionen entwickeln kann.
Letzten Donnerstag haben Sie in Berlin von der Stiftung Deutsche Sporthilfe die Goldene Sportpyramide für Ihr Lebenswerk bekommen, Sie wurden als 44. Mitglied in die „Hall of Fame“ des deutschen Sports aufgenommen. Wie sehr hat Sie die Ehrung Freude?
Natürlich sehr. Telekom-Chef René Obermann hat eine ganz tolle Laudatio gehalten, meine gesamte Familie war mit in Berlin. Mein größter Sieg ist es, den Verein über all die 30 Jahre aufgebaut zu haben. Ich habe meinen Abschied ins Präsidentenamt mit ruhiger Hand vorbereitet, rechtzeitig die Weichen für die Zukunft gestellt. Das macht mich sehr zufrieden. Und ich wollte immer Herr meiner Entscheidungen sein.
Eine Ihrer letzten Entscheidungen war die pro Louis van Gaal als neuem Trainer. Sucht der Holländer jetzt den neuen Bayern-Torwart aus?
Nein, er kennt die Torleute die hier sind, also Rensing und Butt, zu wenig, um alleine zu entscheiden. Natürlich werden wir mit ihm darüber reden.
Sie als Vorstandsmitglied haben sich für Neuer als künftige Nummer eins ausgesprochen.
Nein, ich habe lediglich gesagt, dass er uns interessieren würde. Aber wir holen ihn nicht um jeden Preis. Wir haben kein neues Signal aus Schalke erhalten. Aber wir sind da nicht nervös oder unruhig. Wenn die Schalker nicht verhandeln wollen, gehen wir eben mit unseren Torhütern in die neue Saison.
Mit Michael Rensing – hat nicht Klinsmann ihn auf dem Gewissen?
Michael ist ein hervorragender Torhüter, er hätte auf jeden Fall eine neue Chance verdient. Ich habe mit ihm neulich mal kurz gesprochen. Und Jörg Butt hat in den letzten Wochen der Saison auch bewiesen, dass er es draufhat, er hat sehr zuverlässig gehalten. Die beiden müssen sich dann eben streiten um die Nummer eins, das wäre dann doch ein gesunder, fairer Zweikampf. Außerdem haben wir mit Thomas Kraft noch einen sehr talentierten Torhüter hinten dran, den man nicht vergessen darf.
Interview: Patrick Strasser