„Hoeneß ließ Respekt vermissen“

Der Blick in die Augen von Uli Hoeneß wird für Lucio nicht einfach. Der langjährige Bayern-Profi, der nun für Inter Mailand spielt, hat sich vor dem Wiedersehen keine Freunde gemacht.
Mailand/Frankfurt - Es wird ein emotionales Wiedersehen. Wenn Lucio mit Inter Mailand seinen Ex-Klub Bayern München fordert, trifft er auf seine „alte Liebe“ – mit einer Ausnahme: Uli Hoeneß. Der Blick in die Augen des Präsidenten wird nicht einfach, denn auf Hoeneß ist Lucio nicht gut zu sprechen.
„Hoeneß ließ Respekt vermissen“, sagte Lucio kürzlich im Rückblick und warf seinem früheren Boss schlechte Umgangsformen vor: „Manchmal spricht er drauflos und verletzt dabei Menschen. Er blamiert und beschämt teilweise Spieler und Mitmenschen in der Kabine oder in der Öffentlichkeit.“ Mit seiner Aussage hat Lucio das Aufeinandertreffen am Mittwoch (20.45 Uhr/Sky und Sat.1) im Hinspiel in Mailand angeheizt. Für den 32-Jährigen ist das Spiel enorm wichtig, obwohl es diesmal nicht das Finale ist, sondern ein Achtelfinale. Obwohl es schon sein zweites Duell mit den Bayern ist. Denn der Brasilianer im Herzen weiterhin auch ein Münchner.
Im Gedächtnis ist noch eine Szene nach dem 2:0 im Finale im Vorjahr. 'Ich hatte mein Kind im Arm und bin zu den Münchner Fans gegangen. Sie warfen uns eine Fahne zu und wir haben sie geküsst – und das meinte ich ehrlich", sagte Lucio im Interview mit dem Fachmagazin kicker. Sein zwölf Jahre alter Sohn Joao Victor sei nach wie vor Bayern-Fan. Nach fünf Jahren, drei Meistertiteln und drei Pokalsiegen war Lucio am 15. Juli 2009 in München ausgemustert worden.
Trainer Louis van Gaal war der Innenverteidiger taktisch zu disziplinlos, die charakteristisch-kraftvollen Vorstöße waren dem Niederländer ein Dorn im Auge. Inter lockte Lucio mit 4,5 Millionen und sicherte sich dessen Dienste für 7,5 Millionen Euro Ablöse. Der „große Schock“ der Abschiebung wurde für Lucio „rückblickend zum Geschenk“. Der Weltmeister von 2002 gewann mit Inter die Meisterschaft, den Pokal – und als Krönung die Champions League gegen die Bayern. Bei Inter erarbeitete sich Lucio innerhalb kurzer Zeit die Hochachtung, die ihm zum Ende seiner Zeit in München verwehrt geblieben war.
Die italienischen Medien feiern ihn als „Koloss“ oder als „Spartakus“, den Gladiator, der den Sklavenaufstand im alten Rom anführte. Für Inter-Präsident Massimo Moratti ist Lucio „ein Verteidiger, der wie für zwei spielt, die Lebensversicherung für die gesamte Mannschaft“. Für Lucio wird das zweite Kräftemessen mit den Bayern emotional „ein bisschen leichter“. Sportlich sieht er Inter aber vor einer schwierigeren Aufgabe als im Vorjahr. „Bayern hat das Zeug, die Champions League zu gewinnen. Sie sind stark“, sagte Lucio. Franck Ribery und Arjen Robben „gehören zu den Besten Europas“, Mario Gomez sei in „Super-Form“, und auch für Thomas Müller und Bastian Schweinsteiger findet Lucio nur lobende Worte.
Lucio wird nach dreiwöchiger Zwangspause wegen einer Fußverletzung gegen die Bayern sein Comeback feiern. „Bei großen Herausforderungen gibt er stets sein Bestes“, sagte Inter-Trainer Leonardo. Lucio selbst brennt auf seinen Einsatz – vor allem, wenn er an Uli Hoeneß denkt.