Hoeneß erklärt die AZ-Attacke: "Schluss mit der Wohlfühl-Oase!"
MÜNCHEN Donnerstagfrüh in der Hopfenpost, dem Redaktionssitz der Abendzeitung. Die Sportreporter debattieren über das 0:2 der Bayern gegen Arsenal, das Zittern in der Champions League und das Zetern von Uli Hoeneß. „Es ist 5 vor 12”, hatte der Präsident in der Nacht gewettert, als die in der Liga so dominanten Bayern trotz des komfortablen 3:1 aus dem Hinspiel beinahe ausgeschieden wären im Achtelfinale gegen Arsenal. „So gewinnen wir nichts in der Champions League. Das war ein letzter Warnschuss”, sagte Hoeneß. Und ätzte: „The trend is your friend – und wir spielen seit drei Wochen schönen Dreck!"
Hoeneß will das schon länger bemerkt haben, wir in der Hopfenpost nicht. „Die Abendzeitung hat am Samstag nur von fünf oder zehn Toren gesprochen gegen Düsseldorf – und wir haben mit Ach und Krach gerade 3:2 gewonnen", wetterte er vor Kameras. Der TV-Reporter, der die Fragen stellte, warf ein: „Aber wir sind vom Fernsehen und nicht die Abendzeitung...” Der Hoeneß-Konter, scharf: „Ihr habt genau so wenig Ahnung wie die von der Abendzeitung!"
Das saß, ist Thema in der Redaktionskonferenz, bis die Debatte unterbrochen wird von einem Anrufer mit unterdrückter Nummer. Das Interview mit dem AZ-Kritiker.
AZ: AZ-Sport, Jans.
ULI HOENESS: Hier ist Hoeneß! Sie hatten um Rückruf gebeten.
Ja, wir Ahnungslose von der Abendzeitung sitzen gerade zusammen und sinnieren über Ihre Tirade von gestern Nacht – und auch über Ihre AZ-Beschimpfung.
Da kann ich Ihnen helfen. Ich will wachrütteln. Und Sie bei der AZ haben es stellvertretend abbekommen für alle, die glauben, dass wir keine Spiele mehr verlieren.
Und deshalb sind wir also „ahnungslos”?
Ja, oder haben wir gestern gewonnen? Ich habe das kommen sehen, Sie offenbar nicht. Ihr habt doch am Tag des Düsseldorf-Spiels geschrieben, es gehe nur darum, ob wir 5:0 oder 10:0 gewinnen.
Wir haben gemutmaßt, ob es 2:0 oder 4:0 ausgeht. Und für die Leser ein launiges Bayern-Quiz zusammengestellt – wider die Langeweile. Von einem klaren Sieg konnte man doch ausgehen angesichts der Dominanz zuletzt.
Eben nicht! Es wird ja immer über die Arroganz des FC Bayern geschimpft, aber ich stelle gerade fest, dass manche Medien deutlich arroganter sind als wir, was die Beurteilung unserer Gegner angeht.
Man könnte auch sagen, dass wir etwas euphorischer mit den Resultaten umgehen als Sie selbst. Wieso haben Sie damit plötzlich ein Problem?
Weil sich die Spieler auf Dauer dieser Stimmung nicht entziehen können. Die glauben das am Ende ja auch noch, wenn ihr nur diese Jubelarien schreibt. Das ist die Gefahr: dass man selbst nicht mehr mitkriegt, wenn es nicht läuft. Ihr müsst auch mal schreiben, dass nicht alles toll läuft und welche Fehler wir machen.
Sie wünschen sich kritische Berichterstattung mitten in der Siegesserie?
Ja! Wieso fragt keiner, warum beim Stand von 3:2 plötzlich ein Düsseldorfer nach einer Ecke frei vorm Tor auftaucht? Wir waren gegen Hoffenheim nicht gut, haben gegen Düsseldorf Glück gehabt. Da muss ich jetzt gegensteuern. Einer muss ja die Hurra-Berichterstattung mal relativieren.
Das haben Sie ja nun getan – aber doch gewiss nicht als Medienwächter. Was wollen Sie damit wirklich bewirken?
In der Mannschaft herrscht auch schon diese Friede-Freude-Eierkuchen-Mentalität, die liegen sich alle zu sehr in den Armen – das gefällt mir nicht. In der Meisterschaft wird nichts mehr anbrennen, im Pokal haben wir gute Chancen, aber das ist die Gefahr: dass wir, wenn wir uns selbst einlullen lassen, in den entscheidenden Momenten in der Champions League plötzlich nicht da sind. Wir brauchen wieder mehr Reibung, um die letzten fünf Prozent rauszuholen, die noch fehlen. Die Spieler sollen sich mal wieder aufregen, meinetwegen auch über mich, dass ich rummotze. Es muss Schluss sein mit dieser Wohlfühl-Oase. Damit kannst Du in der Champions League keinen Erfolg haben. Wir brauchen diesen unbedingten Willen, der hat gegen Arsenal gefehlt. Ich habe das kommen sehen.
Nämlich wann?
Ich habe schon vor dem Spiel zum Karl-Heinz (Vorstandschef Rummenigge, d. Red.) gesagt: „Kannst du dir vorstellen, dass wir heute rausfliegen?” Er sagte: „Nein, überhaupt nicht.” Da habe ich gesagt: „Ich habe kein gutes Gefühl heute.” Und ich lag richtig damit.
Sie haben eben Ahnung. Aber jetzt wissen wir ja auch Bescheid.
Na dann: Schönen Tag noch.