Hoeneß-Biografie: „Furchtbar! Überall Blut!“

Der Mann, der den Bayern-Manager, den einzigen Überlebenden des Flugzeugabsturzes vom 17. Februar 1982 – fand, erinnert sich – in der von AZ-Reporter Strasser verfassten Hoeneß-Biografie
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och unter Schock, aber am Leben: Bayern-Manager Uli Hoeneß am 20. Februar 1982, drei Tage nach dem Flugzeugabsturz, als Patient im Nordstadt-Krankenhaus von Hannover.
dpa 2 och unter Schock, aber am Leben: Bayern-Manager Uli Hoeneß am 20. Februar 1982, drei Tage nach dem Flugzeugabsturz, als Patient im Nordstadt-Krankenhaus von Hannover.
AZ-Redakteur Patrick Strasser hat eine Biographie über Uli Hoeneß geschrieben
Ronald Zimmermann/az 2 AZ-Redakteur Patrick Strasser hat eine Biographie über Uli Hoeneß geschrieben

Der Mann, der den Bayern-Manager, den einzigen Überlebenden des Flugzeugabsturzes vom 17. Februar 1982 – fand, erinnert sich – in der von AZ-Reporter Strasser verfassten Hoeneß-Biografie

Uli Hoeneß hat geschlafen, einmal so richtig gepennt. Er hat seinen eigenen Flugzeugabsturz verpennt. Das hat ihm das Leben gerettet.

***

Sie wollten Paul Breitner sehen, ihm beim Länderspiel der deutschen Nationalelf in Hannover gegen Portugal zuschauen und danach noch etwas zusammensitzen, essen und plaudern. Sie, das waren Uli Hoeneß und sein enger Freund Helmut Simmler (35), der Direktor des Münchner Copress-Verlages. Geflogen wurden die beiden von Pilot Wolfgang Junginger (30), einem ehemaligen Star der deutschen Ski-Nationalmannschaft, und seinem Kopiloten Thomas Kupfer, einem 25-jährigen Studenten aus München. Zwei Plätze in der sechssitzigen Piper-Seneca waren also noch frei. Einer davon war für Willi O. Hoffmann, den damaligen Präsidenten des FC Bayern, vorgesehen. Er wurde in der „Abendzeitung“ vom 19. Februar 1982 so zitiert: „Eigentlich wollte ich auch mitfliegen. Aber als ich hörte, dass es eine Propellermaschine ist, habe ich abgesagt. Auch Uli war sich nicht sicher, ob er mitfliegen würde. Er führte am Nachmittag noch Vertragsverhandlungen mit einigen Spielern, wollte sich erst am Abend entscheiden."

Womöglich gerade weil Hoeneß so viel gearbeitet hatte an jenem Mittwoch, setzte er sich im Gegensatz zu Simmler ganz nach hinten in die Maschine. Das rettete ihm das Leben.

***

Es ist 19.45 Uhr an jenem 17. Februar 1982, als Wolfgang Junginger dem Tower des avisierten Flughafens in Hannover-Langenhagen erstmals Schwierigkeiten meldet.

Nun zittern die Hände Jungingers, er hat die Maschinenicht mehr im Griff, verliert rasch an Höhe. Die Sicht ist schlecht in der kalten Februarnacht über Osterwald, einem Stadtteil der Stadt Garbsen, es ist unangenehm diesig. Der Flughafenlotse reagiert schnell und rät dem Piloten, trotz des begonnenen Landeanfluges wieder an Höhe zu gewinnen, dann Richtung Norden abzudrehen und kontinuierlich zu steigen. Danach reißt der Kontakt ab. Hektisch setzt Junginger Notrufe ab, zu spät – er hat die Maschine rund 15 Kilometer von der Landepiste entfernt nicht mehr unter Kontrolle. Die Piper-Seneca schlägt im Sturzflug die Wipfel einiger Eichen ab, kracht auf eine Wiese, rutscht 100 Meter weit und bleibt erst an einem Weidezaun hängen. Vorfreude auf den gemeinsamen Abend hatte wenig zuvor noch das kleine Flugzeug erfüllt, nun war da nichts als ein kaltes, lebloses Wrack.

***

„Ich habe wie jeden Abend vor dem Fernseher gesessen und mich berieseln lassen“, erinnert sich Karl-Heinz Deppe, „nichts Besonderes.“ Daher fällt es Deppe, von Beruf Jäger, auch nicht sonderlich schwer, sich zu einer abendlichen Kontrollfahrt mit seinem Jeep aufzumachen, reine Routine. Also steigt er in seinen Wagen und fährt durch das Heitlinger Moor. Eine Viertelstunde vergeht, nichts Besonderes.

Wie das Länderspiel scheint auch die Kontrollfahrt keine Überraschungen bereitzuhalten. Doch plötzlich sieht er im Kegel der Scheinwerfer etwas durchs Unterholz kriechen, ein Wildschwein, glaubt er, oder ein tollwütiger Fuchs. Dann werden die Konturen klarer: Es ist ein Mensch. Deppe steigt aus und erkennt, dass es wohl ein Mann sein muss. „Er kam mir auf Händen und Knien entgegen.“

Die Kleider sind zerfetzt, der Mann ist blutüberströmt und steht unter Schock. „Er hatte überall Blut. Ein furchtbares Bild. Er redete völlig unzusammenhängende Worte, ich konnte nur verstehen, wie er stöhnte: ,Ich friere.’ Und dann habe ich ihn erkannt.“ Uli Hoeneß liegt vor ihm, halb tot. Wenige Meter weiter sieht Deppe nun einen abgerissenen und komplett verbogenen Propeller im Matsch liegen. Auf die Frage, ob noch jemand im Flugzeug stecke, sagt Hoeneß Nein. Deppe muss nun schnell handeln, nicht lange überlegen. Mein Gott, der Hoeneß hier – mit ihm. Er zerrt Hoeneß in seinen Jeep, um ihn schnellstens ins Krankenhaus zu bringen.

***

Erst um 21.57 Uhr haben Polizei und Rettungsdienst die verschwundene Piper-Seneca geortet. In einem Umkreis von über 100 Metern lagen die Trümmer verteilt, das Cockpit hatte sich beinahe zur Hälfte in den Boden gebohrt. In den Sitzen klemmten drei Leichen, die bis zur Unkenntlichkeit entstellt waren. Hoeneß war weit hinausgeschleudert worden, das war sein Glück. Später wird ihm gesagt werden, dass es nur einen Platz in der Maschine gegeben habe, auf dem man diesen Absturz hatte überleben können. Seinen Platz. Ganz hinten rechts. Nicht angeschnallt.

Patrick Strasser

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