Hitzfeld spottet über Klinsmann
MÜNCHEN - Ottmar Hitzfeld hat mit dem FC Bayern mehr Titel als jeder andere Trainer geholt, seit dieser Saison ist er für die Schweizer Nationalelf verantwortlich - dennoch macht er sich weiter Gedanken über seinen Ex-Verein. Insbesondere über die Neuerungen seines Nachfolgers Jürgen Klinsmann.
Natürlich hatte Ottmar Hitzfeld ein Trainerteam. Es hörte auf den Namen: Michael Henke. Okay, zwei Fitness- und Rehatrainer waren auch noch dabei, sogar die Rekordanzahl von drei Torwarttrainern. Doch Henke war Hitzfelds rechte Hand.
Der Mann ist immer noch beim FC Bayern, nun ist Henke einer unter vielen, seine Aufgabe: Chefanalytiker und Leiter Spielbeobachtung. Jürgen Klinsmann, der Nachfolger von Ottmar Hitzfeld, hat sich einen ganzen Stab zusammengestellt für seine Ära an der Säbener Straße.
Als da wären: Zwei Co-Trainer, vier Fitness- und Rehatrainer, einen Sportpsychologen, allerdings mit Walter Junghans nur noch einen Torwarttrainer. Macht neun Mann. Um die sich dann auch noch Christian Nerlinger, der Quasi-Assistent von Manager Uli Hoeneß kümmert. Klinsmanns alle Neune – komplettes Neuland für den FC Bayern. „Jürgen hat von uns große Freiheiten bekommen, seine Ideen umzusetzen“, sagte Hoeneß und erklärte: „Uns allen war klar: Entweder man verpflichtet den Jürgen mitsamt seinen Plänen und seiner Philosophie – oder man lässt es gleich bleiben.“ Das Paket Klinsmann. Geht es gut, wird es viele Nachahmer finden? Und wenn nicht? Vorgänger Hitzfeld jedenfalls ist skeptisch, was die neue Ära bei Bayern bringt und was sie Klinsmann abverlangt. „Ich bin gespannt, wie Klinsmann alle Trainer beschäftigt. Ich weiß gar nicht, wie viele Trainer der Jürgen nun hat. Sind es acht, neun oder zehn? Die müssen ja jeden Tag eine Aufgabe bekommen“, meinte Hitzfeld bei einer Veranstaltung des TV-Senders „Premiere“: „Was ist denn, wenn einer nicht weiß, was er machen soll? Das alles kostet auch Zeit und Kraft."
Aber der Ex-Coach hatte nicht nur Spott für seinen Nachfolger übrig: Er sei davon überzeugt, „dass Jürgen die Bayern mit seinem Ehrgeiz und seiner Winner-Mentalität ganz nach oben bringen kann.“ Kann, sagte er. Und zwar dorthin, so der 58-Jährige, „wo sie hingehören in der Champions League. Aber ganz nach oben braucht es auch Zeit.“
Klinsmanns Credo zur neuen Saison – da er mit Tim Borowski nur einen Neuzugang im Kader hat der einen Stammplatz erobern kann – ist es, die Stärken jedes einzelnen Spieler zu fördern. Was Hitzfeld verstehen kann, obwohl er sich „den einen oder anderen Star“ als Neuzugang gerne gesehen hätte: „Ich finde es legitim, wenn man sagt, man will jeden Tag die Spieler besser machen. Natürlich wird man gemessen an der Aussage, wenn es mal schlechter läuft. Jürgen hat sich auch etwas selber unter Druck gesetzt.“
Bayerns Ex-Kapitän Stefan Effenberg hält nicht viel von der besonderen Betonung des Klinsmann-Credos: „Das ist die Aufgabe eines jeden Bundesliga-Trainers, auch in der 2. oder 3. Liga.“ Mit der Einführung des Acht-Stunden-Tages hätte er selbst „Probleme gehabt“. Effenberg: „Das geht nur in der Vorbereitung. Während der Saison ist so etwas nicht sinnvoll, man hat ohnehin kaum Zeit für die Familie durch die Spiele und die Reiserei. Gut, dass Ottmar Hitzfeld das nicht gemacht hat.“ Acht-Stunden-Tage, der Rekordtrainerstab, dazu die Umgestaltung der Säbener Straße zum Leistungszentrum samt der Buddha-Figuren (Effe: „Was willst du machen als Spieler? Du kannst sie ja nicht rausschleppen“) – alles neu macht der Klinsmann. Ein Herkules-Job? Ein Fall für Augenringe und Magengeschwüre? „Jürgen ist ein Typ, der sich reinkniet, der sich aufbraucht“, sagt Hitzfeld. „Vereinstrainer zu sein, ist eine andere Beanspruchung als Nationaltrainer. Ich bin gespannt, wie er das mental packt und wie er dann in drei, vier Jahren wohl aussieht. Ich habe in meiner ersten Amtszeit sechs Jahre geschafft, war dann aber gezeichnet." Da lachte er. Herzhaft.
Patrick Strasser