Hitzfeld geht wie Franz

Bayerns Meistertrainer flachst mit Beckenbauer und setzt Nachfolger Klinsmann unter Druck. "Ich übergebe Jürgen eine Super-Mannschaft."
von  Abendzeitung
Nach der Bierdusche von Wolfsburg: Ottmar Hitzfeld
Nach der Bierdusche von Wolfsburg: Ottmar Hitzfeld © ap

WOLFSBURG - Bayerns Meistertrainer flachst mit Beckenbauer und setzt Nachfolger Klinsmann unter Druck. "Ich übergebe Jürgen eine Super-Mannschaft."

Michael Rensing umarmt ihn, gratuliert ihm. Eine herzliche Szene zwischen Keeper und Cheftrainer. Doch im Hintergrund lauert die Gefahr. In Person von Mark van Bommel. Der Torwart lenkt Ottmar Hitzfeld ab, während sich der Holländer mit einem Drei-Liter-Glas Weißbier anschleicht – und den Coach duscht. „Das sind eben Profis“, sagt der lachend, „sogar in einer solchen Situation.“ Und der Holländer freut sich diebisch: „Der Trainer wollte verschont bleiben, aber es ist ihm nicht gelungen.“

Hitzfeld konnte es verschmerzen. „Schließlich ist es etwas Besonderes, wenn man in so einem Spiel Meister wird, bei dem man gar nicht unbedingt damit rechnet“, sagte er später. Eine Begründung hatte Hitzfeld auch parat: „Die Mannschaft war ja platt.“ Zur meisterträchtigen Nullnummer reichte es beim VfL Wolfsburg aber allemal. „Da nehme ich in Kauf, dass ich geduscht werde“, erklärte der überglückliche 59-Jährige, nachdem er unter der echten Dusche gestanden und sich von Mediendirektor Markus Hörwick ein frisches Sakko geliehen hatte.

Replik auf den Kaiser

Vom klebrigen Gerstensaft befreit war der Coach – übrigens bekennender Weinliebhaber – gelöst. Sogar Premiere-Experte Franz Beckenbauer bekam den Spott des übermütigen Cheftrainers zu spüren. „Wir werden die Nacht ausgiebig feiern“, sagte der, „und dann am Montag auf dem Marienplatz joggen.“ Eine treffliche Replik, hatte doch Beckenbauer nach dem 0:4 in St. Petersburg und dem Uefa-Cup-Aus gespottet, einige Spieler hätten sich exakt mit diesem Tempo bewegt, als ob sie unterm Rathausbalkon spazierengingen. Passé. Gestern sagte Franz: „Was soll’s, der Uefa-Cup ist eh nur so ein Randpokal.“

Und auf eine weitere Trophäe der B-Kategorie kommt es bei Hitzfeld, der nach dieser Saison Nationaltrainer der Schweiz wird, nicht mehr an: 25 Titel, zweimal den Champions-League-Pott und zweimal den Weltpokal inklusive, hat er als Klubcoach seit Sonntagabend auf dem Konto. Da interessiert ein windiger Uefa-Pokal (Hitzfeld: „Den musste man sich eh die ganze Saison über schön reden“) wirklich nur am Rande. „Es ist eine Genugtuung, Bayern wieder zur Nummer eins in Deutschland gemacht zu haben“, erklärte der sichtlich stolze Coach, „es war ja eine besondere Saison, weil die Erwartungshaltung und die Investitionen riesig waren. Da weiß man ja nie, wie’s läuft. Umso schöner ist es jetzt.“

"Du bist der fast perfekte Trainer"

Was Manager Uli Hoeneß ebenso sah. „Ottmar hat ein riesiges Verdienst an diesem Titel. Es ist klasse, wenn man so ein Ensemble von 25 Stars über das ganze Jahr zusammen und bei Laune hält“, so der Bayern-Manager. Damit nicht genug. Auch Beckenbauer zollte Hitzfeld Respekt. „Fachlich macht ihm eh keiner was vor“, sagte der Bayern-Präsident bei „Premiere“, „aber es ist vor allem das Menschliche. Da ist Ottmar nicht zu schlagen.“ Und direkt an Hitzfeld gerichtet: „Ottmar, Du hörst jetzt nicht her: Du bist der fast perfekte Trainer.“

Und als Hitzfeld dann ungefragt noch einen Gruß an seinen Nachfolger Jürgen Klinsmann schickte, fühlte sich so mancher an Beckenbauer nach dem WM-Triumph 1990 in Rom erinnert. „Ich freue mich auch, dass ich Jürgen Klinsmann eine Super-Mannschaft übergeben kann, die nächste Saison oben angreifen kann“, sagte Hitzfeld und machte so dem Nachfolger Druck. Fast perfekt aus Beckenbauers Sicht. Der hatte seinem Nachfolger Berti Vogts einst mit auf den Weg gegeben, dass die DFB-Auswahl „auf Jahre hinaus nicht zu schlagen sein wird“.

jos, ps

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