Hitzfeld: „Bayern kommt weiter“
Der Erfolgscoach glaubt ans aktuelle Team, lobt die Arbeit von Cheftrainer van Gaal, freut sich über Schweinsteigers Entwicklung – und erinnert sich ans Teetrinken mit ManU-Trainer Ferguson.
AZ: Herr Hitzfeld, die Bayern des Jahres 2010 haben ja Hitzfeld-Qualitäten. Es ist die zweite April-Woche und man ist noch in allen drei Wettbewerben dabei. Hätten Sie gedacht, dass die Bayern den Kraftakt Schalke bestehen?
OTTMAR HITZFELD: Ja, ich war mir sicher. Ich habe mir die Partie im TV angeschaut – die zweite Halbzeit mit nur zehn Mann war beeindruckend, sie sind nie in Gefahr gekommen. Die Bayern sind in Form und solche Spiele viel dankbarer. In den Wochen und Monaten davor war alles Pflicht, jetzt ist die Zeit der großen Spiele, da kann man etwas gewinnen, muss an die Grenzen gehen. Darin liegt die Herausforderung.
Und als nächstes kommt Manchester United, das Viertelfinal-Rückspiel. Wie groß sind die Chancen der Bayern?
Ich bin davon überzeugt, dass Bayern weiterkommt, ich habe da ein gutes Gefühl.
So sicher? ManU war Champions-League-Sieger 2008 und ein Jahr später Finalist. Nur Barcelona steht wohl noch über Manchester.
Für die Bayern kommt das Spiel in einem guten Moment, sie sind von ihrer eigenen Stärke überzeugt. Dazu kommt: Sie sind auch in den letzten Runden, etwa in den beiden engen Duellen gegen den AC Florenz
Was ist der Schlüssel zum Weiterkommen am Mittwoch im Old Trafford?
Die Bayern müssen ihr eigenes Spiel durchziehen und den Engländern aufzwingen. Sie müssen den Gegner laufen lassen und das wichtige Auswärtstor anstreben – wenn sie das schaffen, würde es Manchester psychologisch lähmen, denn dann müsste ManU drei Tore machen, um das Halbfinale zu erreichen.
Also sollte der FC Bayern im Stadion Old Trafford auf keinen Fall versuchen, ein Unentschieden anzupeilen.
Oh, nein. Sie wären schlecht beraten, wenn sie nur verteidigen. Dafür war die Hintermannschaft in letzter Zeit auch zu instabil. Abgesehen davon: Louis van Gaal ist ein mutiger Trainer, er lässt nach vorne spielen. Die Bayern müssen mutig spielen!
Zuletzt war es immerhin der AC Milan, der mitspielen wollte – und dann im Achtelfinale kläglich mit 0:4 unterging.
Aber Bayern wird nicht so naiv agieren, Milan war viel zu offen. Es geht auch darum, das Publikum im Old Trafford zu beeindrucken. Die Fans dort sind es nicht gewohnt, wenn man frech und forsch spielt. Dann werden sie unruhig und das überträgt sich auf die Mannschaft.
Zurück zu den Bayern: Hätten Sie gedacht, dass die Mannschaft samt Trainer van Gaal nach der Herbst-Krise noch solch eine Saison spielt?
Das war schon vor der Winterpause zu erkennen, dass die Mannschaft eine gute Entwicklung nehmen würde. Das 4:1 bei Juventus hat natürlich einen Riesen-Schub gegeben. Seit Januar hat ein Sieg nach dem anderen neue Kräfte frei gesetzt. Im Zentrum sind Mark van Bommel und Bastian Schweinsteiger derzeit überragend in Form, sie sind enorm wichtig fürs Spiel, die Köpfe der Mannschaft.
Wenn Sie die Bayern im TV schauen: An welchen Punkten erkennen Sie die Philosophie von Louis van Gaal?
Die Mannschaft ist hervorragend organisiert, macht ein gutes Forechecking, verschiebt gut im Raum, steht kompakt. Sie stören früh, alle verrichten viel Laufarbeit. Bei Ballbesitz wollen sie den Gegner müde spielen, mit permanenten Spielverlagerungen – van Gaal will, dass die Mannschaft Dominanz ausstrahlt.
Befürchten Sie nicht, dass der alte Trainerfuchs Sir Alex Ferguson noch ein paar unverhoffte Asse aus dem Ärmel zieht?
Das ist gut möglich. Uns verbindet ja seit unseren vielen Duellen eine Freundschaft. Wir sehen uns bei Trainertagungen, saßen dort immer zusammen, schicken uns regelmäßig SMS. Als ManU gegen Milan weitergekommen ist, habe ich ihm gratuliert. Aber am Mittwoch drücke ich Bayern die Daumen. Da liegt meine Sympathie.
Vielleicht lädt Ferguson ja auch van Gaal in sein Trainer-Zimmer.
Das hat er damals nur mit mir gemacht. Ich erinnere mich gut: Als er mich zum ersten Mal eine Viertelstunde vor Anpfiff solch eines großen Spiels in der Champions League zu sich bat, wusste ich nicht: Was hat er vor? Will er mich beeindrucken? Nein, wir haben dann locker beim Tee geplaudert, über die Familien gesprochen, natürlich auch über Fußball.
Interview: Patrick Strasser