Heynckes: So juppt's bei den Bayern
MÜNCHEN - Bayern-Trainer Jupp Heynckes korrigiert selbst Einwürfe, stutzt Superstar Ribéry zurecht, etabliert die Raute und lässt Luca Toni vorne nicht mehr allein.
Mark van Bommel ist ein alter Hase. Der Bayern-Kapitän erkennt hinter jeder noch so beiläufigen Journalistenfrage die Gefahr der spektakulären Schlagzeile. Und so wehrt er sich am Tag zwei des Intermezzos namens Heynckes gegen jeden Vergleich mit dessen Vorgänger. Sagt: „Die Stimmung ist überragend.“ Schiebt nach: „Nicht dass sie vorher schlecht war. Die Stimmung war immer gut.“ Dass sich mit dem Neuen einiges ändern wird oder schon geändert hat, steht außer Zweifel. Die Neugier ist groß, selbst bei Uli Hoeneß. Der verfolgte das Training seines Spezls fast eine Stunde lang im strömenden Regen. Was er alles gesehen hat:
Jupps Fußball-ABC: Heynckes fängt ganz vorne an - und zwar gaaaaanz langsam. Verschiebe-Übungen, die an das Rasenschach eines Herrn Trapattoni erinnern. Hermann Gerland gibt den Dribbler, nach dessen Bewegungen sich die Pärchen im Raum im Zeitlupentempo verschieben. Erstaunte Blicke bei den Profis. Der Rest des Trainings: weitgehend freies Spiel, unterbrochen von Heynckes’ Korrekturen. „Falsch!“, ruft er, „falscher Einwurf!“ Und erklärt Christian Lell, in welcher Höhe er den Ball werfen muss, wenn er Luca Toni anspielt. Und weiter: Grundsätzliches zum Einwurf. „Einer geht, einer kommt. Nie stehen vor der Ballannahme! In Bewegung sein!“ Heynckes spricht in Ausrufezeichen. Auch beim Eckballtraining. Weist jedem Stürmer und jedem Verteidiger die Position zu. Korrigiert die Hereingaben von Schweinsteiger, Altintop und Ze Roberto. Wie Lehrer das nun mal so machen.
Heynckes: "Erholen Lukas, erholen"
Das System: Die Raute ist wieder da! Doppel-Sechs ist out! Mark van Bommel sagt: „Der Trainer hat eine klare Philosophie.“ Er beschreibt sie vorsichtig mit den Worten „kontrollierte Offensive, hinten erst mal gut stehen“. 70:30 könne der Anteil am Offensivgeschehen zwischen ihm und Ze Roberto aufgeteilt werden, sagt der Niederländer. Hamit Altintop glaubt erkannt zu haben, dass Heynckes „relativ offensiv“ spielen lassen wird, „mit einem gepflegten Pass und auch mal über Außen“. Im Training fiel auf, dass Heynckes im Spielaufbau oft „Ruhe, Männer, Ruhe!“ rief. Vorbei der Zwang zum immerwährenden Vertikalpass. Auch die Angreifer müssen sich nach Ballverlust nun umstellen: „Erholen, Lukas, erholen! Ihr müsst auch mal Luft holen!“ Der Trend geht weg vom Aktionismus, hin zum Zweit-Stürmer: Podolski darf gegen Gladbach wohl neben Luca Toni ran.
Disziplin: Ein wichtiger Pfeiler im System Heynckes. Einige Bayern-Profis bekommen das schon in der ersten Übungseinheit am Dienstag zu spüren. Da brüllt Heynckes plötzlich über den Platz: „Hey!“ und deutet Lukas Podolski per Zeichensprache, er solle gefälligst zuhören. Tags darauf trifft es den unaufmerksamen Franck Ribéry: „Hör mal zu, Franck!“ Ob ihn der Franzose verstanden hat?
Die Sprache: Im Gegensatz zu Klinsmann, der den Franzosen und den Italiener in dessen Idiom ansprechen konnte und die Südamerikaner über seinen Assistenten Martin Vasquez erreichte, spricht Heynckes im Training nur deutsch, abgesehen von einem „Attacare, Luca!“ und einem „Non, non!“ zu Ribéry. Und er spricht nicht wenig, erklärt vieles, gerne auch mal ausführlicher. Mark van Bommel will kein Sprachproblem entdecken: „Die Spieler verstehen deutsch, auch wenn einige es nicht so gut sprechen. Zur Not können wir ja übersetzen.“
Der Mull: Kaum ist Klinsmann weg, heißt der Teamarzt wieder Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt. Im November ausgebootet, sitzt er gegen Gladbach wieder auf der Bayern-Bank.
Thomas Becker