Heynckes rät Neuer: "Ruhiger machen"
Nach dem Patzer gegen Gladbach kritisiert Heynckes die Spielweise von Manuel Neuer mit ungewöhnlich deutlichen Worten.
München - Und dann grätschte auch noch Charlotte Roche dazwischen. „Bei Manuel Neuer ist es leider nach wie vor so, dass ich finde, dass er Verrat begangen hat. Ich habe den früher so gemocht“, sagte die Moderatorin und schriftstellernde Exhibitionistin („Feuchtgebiete“, „Schossgebete“) in einem Interview mit dem Klubmagazin „Schalker Kreisel“.
Nun, Manuel Neuer wird diesen Angriff des Schalke-Fans Roche verschmerzen können. Mehr jedenfalls als die Kritik seines Trainers Jupp Heynckes. Während nämlich Neuers Mitspieler nach dessen folgenschweren Patzer in Gladbach, als ihm ein Pass völlig missglückte und er so das 1:0 durch Marco Reus vorlegte, sich redlich mühten, ihren Keeper in Schutz zu nehmen, griff Heynckes ihn frontal an. „Manuel Neuer ist ein absoluter Klasse-Torwart. Er versucht, den Ball unheimlich schnell wieder ins Spiel zu bringen. Und dann passieren solche Aktionen wie vor dem 0:1“, begann Heynckes seine Analyse des frühen Gegentreffers, ehe er zur ungewöhnlich scharfen Generalkritik ansetzte: „Er müsste einfach etwas ruhiger machen, etwas bedächtiger, etwas konzentrierter, einfach Tempo rausnehmen. Das ist sein Problem.“
Es war das erste Mal, dass Heynckes einen seiner Spieler öffentlich so hart anging. Und es wirkte fast, als ob der Coach ein generelles Problem mit Neuers Spielweise hätte. Es klang nach: Schlag den Ball einfach mal ins Aus! Doch das passt nicht ins Selbstverständnis von Neuer, dessen größte Stärke normalerweise eben auch ist, dass er mitspielen kann. Neuer ist Torwart, fünfter Verteidiger und der erste Mann im Spielaufbau. An guten Tagen bereitet er – wie in der Vorrunde geschehen – durch seine schnellen Abschläge oder Zuspiele Angriffe oder sogar Tore direkt vor.
Auch am Freitag war dies seine Intention gewesen. „Ich wollte den Ball lang nach rechts vorne schlagen, Richtung Arjen Robben und Thomas Müller. Ich habe den Ball falsch getroffen und Reus hatte leichtes Spiel. Das ist natürlich bitter“, sagte er und entschuldigte sich: „Mein Fehlpass war die Einleitung zur Niederlage. Das tut mir leid.“
Klar ist: Neuer wird kaum eine Veranlassung sehen, seine Spielweise grundsätzlich in Frage zu stellen. Seine Art zu spielen gilt schon jetzt als stilbildend unter den noch jüngeren Bundesliga-Torhüter wie Gladbachs Marc-Andre ter Stegen oder Hannovers Ron-Robert Zieler.
Doch der beste Torwart der Welt, wie die Bayern-Verantwortlichen ihn vor seiner Verpflichtung im Sommer ausdauernd genannt haben, sei er eben noch nicht. Das meint Bayerns Torhüter-Legende Jean-Marie Pfaff. „Manuel ist wahnsinnig talentiert, er macht sehr viel richtig und er ist ein guter Junge. Aber an solchen Situationen wie am Freitag merkt man, dass ihm noch die Erfahrung fehlt“, sagt er der AZ. Wie Heynckes glaubt auch Pfaff, dass Neuer noch lernen müsse: „Vor dem 0:1 hat er eigentlich zwei falsche Entscheidungen getroffen“, sagt Pfaff, „zuerst hat er den Ball nach dem Rückpass nicht sofort zu einem Mitspieler weitergeleitet, sondern ist mit ihm nach vorne gelaufen. Und dann wollte er es, als Patrick Herrmann ihn bedrängte, immer noch spielerisch lösen.“ Ein erfahrener Keeper hätte den Ball spätestens da auf die Tribüne befördert. „Zu erkennen, wann ich besser kein Risiko gehe, hat auch viel mit mentaler Stärke zu tun“, so Pfaff.
Überschätzt Neuer seine Fähigkeiten also vielleicht sogar? Pfaff sagt jedenfalls: „Er hat jetzt zwei Mal entscheidend gegen Gladbach gepatzt, dazu seine unglücklichen Aktionen in Mainz. Dadurch hat Bayern schon ein paar schöne Punkte verloren. Viele Fehler darf er sich nicht mehr erlauben in dieser Saison.“