Interview

Heynckes-Assistent Hermann schwärmt: "Wirtz und Musiala sind etwas Besonderes"

Peter Hermann, der langjährige Co-Trainer von Jupp Heynckes beim FC Bayern und bei Leverkusen, spricht vor dem Duell seiner Ex-Klubs in der AZ über die Toptalente - und den Start von Julian Nagelsmann.
von  Krischan Kaufmann
Peter Hermann war viele Jahre Co-Trainer beim FC Bayern München.
Peter Hermann war viele Jahre Co-Trainer beim FC Bayern München. © Imago/Poolfoto

AZ: Herr Hermann, Sonntagnachmittag, Bayer Leverkusen gegen den FC Bayern (15.30 Uhr live bei DAZN und im AZ-Liveticker), der erste echte Ligagipfel dieser Saison. Für Sie, der mit beiden Klubs große Erfolge gefeiert hat, wird dieses Spitzenspiel doch eine echte Zerreißprobe, oder?
PETER HERMANN: Das wird tatsächlich schwierig für mich. Da muss ich jetzt diplomatisch sein: Ein Unentschieden wäre gut, da könnten doch alle damit leben, denke ich.

Die Bayern eher nicht. Sie müssten doch aus ihren vier Jahren in München noch allzu gut wissen, dass dort eigentlich immer nur eins zählt: ein Sieg.
Ja, das habe ich in München gelernt. Aber genau das zeichnet den FC Bayern ja auch aus, dieser unbedingte Wille zum Erfolg.

"Da ist eine gute Teamarbeit auf dem Platz zu sehen"

Nach sieben Spieltagen ist Bayer 04 die Überraschungsmannschaft der Saison. Sie haben in der turbulenten vergangenen Spielzeit nach der Entlassung von Peter Bosz zusammen mit Interimscoach Hannes Wolf die Mannschaft stabilisiert. War die aktuelle positive Entwicklung damals schon abzusehen?
Ich bin schon überrascht, denn Bayer hat einige Führungsfiguren wie die Bender-Zwillinge (Karriereende, Anm. d. Red.) oder Leon Baily (zu Aston Villa, Anm. d. Red.) verloren, viele neue Spieler wurden geholt. Aber ich habe jetzt alle Heimspiele von Leverkusen gesehen und das wirkt alles schon sehr stabil. Da ist eine gute Teamarbeit auf dem Platz zu sehen. Alle Spieler machen das gut - einige sogar sehr gut: Wenn ich da nur an Patrick Schick denke, der Junge ist wirklich in Topform.

Welche Rolle bei Leverkusens Aufschwung spielt der neue Trainer Gerardo Seoane, der zuvor ja "nur" in der Schweiz gearbeitet hatte?
Dreimal in Folge mit Young Boys Bern Schweizer Meister zu werden - das musst du auch erst mal schaffen. Dazu hat er ja noch Bayer Leverkusen letzte Saison aus der Europa League geworfen. Dass er hier funktioniert, überrascht mich also gar nicht. Sein Training ist super und sein Riesen-Vorteil ist, dass er mehrere Sprachen spricht. Das ist für einen Trainer immer ganz wichtig, denn dann kannst du deine Inhalte direkt rüberbringen.

Und dann gibt es bei Bayer ja noch Florian Wirtz. Sie kennen Leverkusens Offensiv-Juwel ja schon länger. . .
Das stimmt. Zusammen mit Herman Gerland habe ich ihn damals beim Finale der U17-Bundesliga Borussia Dortmund gegen Köln gesehen. Damals hat Florian noch beim FC gespielt und in dieser Partie ist er Gerland und mir sofort aufgefallen. Als ich zuletzt für acht Wochen zusammen mit Hannes Wolf in Leverkusen übernommen habe, durfte ich ihn dann auch trainieren und das hat schon sehr großen Spaß gemacht. Der Junge hat wirklich top Veranlagungen - so wie auch Jamal Musiala von Bayern München. Wir haben ja gerade in Deutschland zum Beispiel mit Malik Tillman (FC Bayern, Anm. d. Red.), Karim Adeyemi (RB Salzburg) oder Jan Thielmann (FC Köln) wirklich sehr viele gute junge Spieler - aber Wirtz und Musiala, die sind schon etwas Besonderes.

Julian Nagelsmann (l.) und Jamal Musiala.
Julian Nagelsmann (l.) und Jamal Musiala. © imago images/Sven Simon

Ist die Partie am Sonntag für Wirtz bereits eine Art Vorspielen für Bayern, schließlich haben die Münchner den Anspruch, stets die besten deutsche Nationalspieler bei sich im Team zu haben?
Florian Wirtz haben alle Vereine in Europa auf dem Schirm. Aber er hat ja in Leverkusen einen langfristigen Vertrag unterschrieben, auch um erstmal in der Bundesliga Fuß zu fassen und sich zu entwickeln. Man muss immer bedenken: Der Junge ist ja erst 18 Jahre alt. Klar wird er wahrscheinlich irgendwann wechseln, aber das muss ja nicht jetzt sofort sein. Leon Goretzka ist auch nicht schon mit 18 zum FC Bayern gegangen, sondern erst als er wirklich was konnte, als er richtig stabil war.

Leverkusens Gerardo Seoane (l.) und Florian Wirtz
Leverkusens Gerardo Seoane (l.) und Florian Wirtz © imago images/Team 2

"Nagelsmann bringt neue Ideen mit, ist unverbraucht und sehr ehrgeizig"

Wie bewerten Sie als alter Co-Trainer-Hase, der jahrelang mit Bayern-Ikone Jupp Heynckes zusammengearbeitet hat, den Start von Julian Nagelsmann in München?
Er bringt neue Ideen mit, ist unverbraucht und sehr ehrgeizig. Die Spieler, so wie ich sie kenne, sind auch sehr ehrgeizig. Ich denke also, das passt sehr gut zusammen. Bayerns großer Vorteil ist auch, dass sie dort den Umbruch in der Mannschaft immer gut gestaltet haben. Egal, ob nun Franck Ribery, Arjen Robben oder auch Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger - es kamen immer top Spieler nach. Das Niveau war immer gleichbleibend gut - ach was, es ist sogar noch besser geworden.

Bayerns zehnte Meisterschaft in Folge ist also nur eine Frage der Zeit?
Daran habe ich keinerlei Zweifel und auch international habe ich meinen Ex-Verein heuer wieder auf der Rechnung. Der ehemalige französische Nationalspieler Robert Pires hat kürzlich gesagt, dass für ihn aktuell der FC Bayern der absolute Topfavorit auf den Champions-League-Titel ist. Das kann ich voll unterschreiben.

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