Hermann Gerland über den Karrierebeginn von Philipp Lahm

Im zweiten Teil der Serie erinnert sich Lahms Förderer Gerland an die Anfänge bei Bayern. "Der sieht aus wie 15, spielt aber wie 30."
von  Patrick Strasser
Gerland (l.) und Lahm im Jahr 2009. Der Tiger war eine wichtige Person in Lahms Karriere.
Gerland (l.) und Lahm im Jahr 2009. Der Tiger war eine wichtige Person in Lahms Karriere. © Rauchensteiner/Augenklick/ AZ

München - Hans Meyer sagt tatsächlich "Nein, danke!" – zu Philipp Lahm. Damals, 2002, als Meyer Trainer von Borussia Mönchengladbach ist und der 18 Jahre junge Lahm ein A-Jugendlicher, der bei den Bayern-Amateuren kickt.

Die Empfehlung des Mannes, der ein Patent für das Aufspüren und Entdecken von Talenten hat, lautet: "Du, Hans, hör’ ma’, ich hab’ da einen. Der ist besser als alle, die ich je hatte. Der sieht aus wie 15, spielt aber wie ein 30-Jähriger." Und Meyer, ein alter Spezi von Hermann Gerland, reist zu einem Spiel der zweiten Mannschaft nach München.

Meyer lehnt eine Ausleihe ab

Doch Lahm, dieser volljährige Bubi mit "guten fußballerischen Anlagen", kommt für Meyer "im knüppelharten Abstiegskampf nicht in Frage". Er lehnt eine Ausleihe ab. Gerlands Stimme wird tiefer, ruhiger, der 62-Jährige spricht mit leicht triumphierendem Unterton Meyers Worte nach: "Du hattest Recht, Hermann." Er zieht Meyer (74) immer wieder auf. Weil der so wenig Ahnung habe, "nicht mal spätere Weltmeister erkennen könne".

Zwei Jahre, von Juli 2001 bis Mai 2003, spielt Lahm in der Regionalliga Süd, damals die dritthöchste Liga. Am 25. August 2001 debütiert er in Burghausen, Landkreis Altötting. Beim SV Wacker gewinnen die "kleinen Bayern" mit dem "kleinen Philipp" in der Startelf 2:1. Gerland stellt ihn als Rechtsverteidiger auf, er macht seine Sache "tadellos", unterstützt von Abwehrchef Hans Pflügler, 1990 Weltmeister, mit 41 der Oldie der Talente-Truppe. Von diesem Zeitpunkt an, dem fünften Spieltag, lässt sich Lahm nicht mehr aus der Stammelf verdrängen. Ein Teenie als Konstanz in Person. Doch bei den Profis ist die Konkurrenz zu groß mit Rechtsverteidiger Willy Sagnol und Linksverteidiger Bixente Lizarazu. Keine Chance.

"Der ist schon perfekt"

"Ich sach’ zu meiner Frau, ich sach’, Gudrun, dieser Junge darf nicht mehr Dritte Liga spielen. Dat is’ Perlen vor die Säue. Jeder weitere Tag wäre ihm gegenüber eine Sauerei. Wie der trainiert, wie der spielt – das ist nicht normal. Diese Ruhe im Spiel! Diese Reife!" Gerland geht zu seinem Boss bei Bayern, Manager Hoeneß. "Ich sach’: Uli, der ist schon perfekt, der muss in die Bundesliga. Du musst den Vertrag mit dem Kleinen verlängern, so lange wie möglich – und dann ausleihen." Hoeneß hört auf den Mann, den sie Tiger rufen.

Doch keiner will Gerlands Riesen mit der Knirps-Statur ausleihen. Meyer nicht, manch andere nicht. "Den habe ich angeboten wie Sauerbier", erinnert sich Gerland in der AZ. "Ein Bundesliga-Manager wollte sogar Fahrgeld von mir zurückhaben, weil ich ihm den Spieler empfohlen habe. Als ich den ein paar Jahre später in Berlin wieder getroffen habe, bin ich hin, zücke meine Brieftasche und sage: Junge, wie viel Fahrgeld wolltest du haben für meine Lahm-Empfehlung?"

Erstes Bundesliga-Spiel in Rostock

Nur Felix Magath hört auf den Tiger. Der VfB-Trainer fragt Gerland: "Was kann der denn spielen?" Dessen Antwort: "Alles. Rechter Verteidiger, linker Verteidiger, rechtes Mittelfeld, zentrales Mittelfeld." Der Deal ist perfekt, zwei Jahre Leihe. Im August 2003 bestreitet Lahm im VfB-Trikot sein erstes Bundesliga-Spiel in Rostock, nach seinem ersten Champions-League-Spiel mit den Württembergern gegen Manchester United will ihn Coach Alex Ferguson sofort verpflichten – keine Chance. Magath formt Lahm zu einem der besten Linksverteidiger der Liga, am 18. Februar 2004 debütiert er beim 2:1 in Kroatien in der Nationalmannschaft.

Teamchef Rudi Völler stellt ihn – natürlich – in die Startelf. Im Sommer 2005 kehrt Lahm zu Bayern zurück. Der Rest ist Geschichte, eine einzige Erfolgsgeschichte. Gerland ist traurig, dass Lahm jetzt aufhört. "Sehr schade – vor allem für die Fans. Philipp hätte noch ein, zwei Jahre auf höchstem Niveau drauf. Ein großer Verlust."

Keine Torgefahr

Und wenn Sie ihn kurz loben könnten, Tiger? "Philipp hat von 2001 bis heute überragend gespielt. Unspektakulär, kaum Fehler. Er sieht auf dem Platz alles, er riecht jede Gefahr. Er bringt einen Mitspieler nie durch einen schlechten Pass in Schwierigkeiten. Er hat nie Mist gebaut, hat anderen geholfen, war stets pünktlich, immer ein Vorbild. Jedes Training, jedes Spiel – er wollte immer gewinnen. Einer der besten Fußballer Deutschlands." Danke. Ein Kritikpunkt? "Er hätte torgefährlicher sein können." Da lacht Gerland.

Hier geht es zu Teil 1:


Im dritten Teil lesen Sie: Philipp Lahm privat – der Familienmensch, der Unternehmer, der Wohltäter

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