Heiligs Blechle! - Nur Hoeneß in Bestform
Die Bayern zeigen Schwächen, Hitzfeld macht Scherze. Aber der Manager will im Derby gegen 1860 "ein flottes Spiel" gesehen haben.
Die 90 Derby-Minuten gibt es auch als Scheibe. Gespeichert und auf eine DVD gepresst. Nach jedem Bayern-Spiel bekommt der Trainerstab mehrere Kopien für die Spielanalyse.
Eine Extra-DVD muss derzeit nach Kalifornien gesandt werden. Adresse: Huntington Beach. Home of the Klinsmanns.
Denn der künftige Bayern-Trainer will keine Szene, kein Detail verpassen in der Vorbereitung auf seinen neuen Job. Die Live-Spiele wird er zu kalifornischer Zeit in den frühen Morgenstunden oder Mittags über Satellit und Dekoder verfolgen, für die Feinheiten braucht er eine DVD. Laptop-Coach Klinsmann will nichts verpassen. Das weiß Uli Hoeneß. „Ich denke, dass die Live-Übertragungen der Spiele nach Kalifornien glühen werden“, hat der Manager gesagt.
"Hier ist jeder auf dem Präsentierteller“
Wie auch immer er das gemeint hat. Wohl eher so: Die Spieler sollten im Wissen um die interkontinentale Beobachtung auf dem Rasen glühen. Also sprach Hoeneß: „Hier ist jeder auf dem Präsentierteller.“ Die Bayern-Profis müssen es sich und Klinsmann beweisen. Denn der Neue wird den Kader nun vier Monate genauestens unter die Lupe nehmen, um seine Ein- und Verkaufspolitik zu gestalten. Hoeneß: „Was im Sommer ist, kann ich jetzt noch nicht sagen. Jetzt sind alle im Schaufenster.“
Am Samstag hatten sie gegen die Löwen ihren ersten Auftritt. Und dabei sahen sie ganz schlecht aus. Ob in der Defensive, als Demichelis beim 1:1-Ausgleich von Duhnke patzte. Ob über die Seiten, wo sowohl Lahm als auch Sagnol und Lell ideenlos und matt wirkten. Ob im Mittelfeld, in dem weder Schweinsteiger noch Sosa oder Altintop kreative Momente hatten. Und schon gar nicht im Sturm: Da traf zwar Toni zum 1:0, die Mitspieler Klose und Schlaudraff kickten in der Kategorie ausbaufähig. Heiligs Blechle – das wird Klinsmann, dem Schwaben in Kalifornien, kaum gefallen haben.
Hitzfeld locker und gelöst
Und Noch-Trainer Ottmar Hitzfeld? Locker, gelöst und erlöst von dem Gedanken, nur noch bis Saisonende bei Bayern durchhalten zu müssen, sagte er nach der Partie: „Wir sind auf dem richtigen Weg und werden uns natürlich noch steigern.“ Etwas anderes wird man nicht glauben können angesichts des laschen Auftritts vom Samstag.
Wo denn der FC Bayern eine Woche vor dem Rückrundenstart nun stehe, wurde der 59-Jährige von einem Reporter gefragt: „Vor dem nächsten Spiel“, antwortete Hitzfeld und grinste dabei mehr als die umstehenden Journalisten.
Die Blauen Schuld am zähen Bayern-Stil
Die Mannschaft schwächelt oder kaschiert ihre Stärken hinterlistig-geschickt, der Trainer liefert fragwürdige Antworten und witzelt mit neu gewonnener Nonchalance – nur Manager Uli Hoeneß ist schon in Bestform. „Wir haben das Spiel total beherrscht, nur ein kleines Missverständnis hat uns den Sieg gekostet“, meinte Hoeneß. Das 1:1 gegen eine – in der zweiten Halbzeit – Bubi-Bürstenschnitt-Auswahl mit Drittliga-Referenzen? Für Hoeneß kein Problem. „Wir haben doch ganz anders gespielt als in den letzten Derbys, das war doch ein ganz flottes Spiel.“ Und am zähen Bayern-Stil seien ohnehin die Blauen Schuld: „Für uns war es ja schwierig, einen Rhythmus zu finden, weil die Löwen in der zweiten Halbzeit so oft gewechselt haben.“ Wie gemein aber auch.
Dabei wollte Hoeneß seine Spieler doch zeigen lassen, wer „Herr im Hause“ ist. Weit gefehlt. Und doch gar nicht nötig? „Wer die beste Mannschaft in München ist, das weiß doch jeder“, sagte Hoeneß, „dazu braucht man kein Lokalderby.“ Recht hat er.
Patrick Strasser