Harter Verhandlungspartner: Um Kane zu holen, muss der FC Bayern Tottenham-CEO Daniel Levy überzeugen

München – Will man verstehen, was es für den FC Bayern braucht, um Harry Kane zu verpflichten, muss man bald auf den Tag genau zehn Jahre zurückgehen, in den Juli 2013.
Die Münchener krönten sich, mit einem 3:2-Erfolg über den VfB Stuttgart, unter Jupp Heynckes zum Triple-Sieger. Der damals 19-jährige Kane spielte leihweise bei Norwich City, während in Manchester ein weiterer legendärer Trainer für Schlagzeilen sorgte: Sir Alex Ferguson.
"Schmerzhafter als mein neues Hüftgelenk": Daniel Levy bringt die Konkurrenz zur Verzweiflung
Der Schotte führte Manchester United zu ihrer 20. und bis heute letzten Meisterschaft, bevor er sich im Juli ein neues Hüftgelenk einsetzen ließ. Ein Vorgang, der für die betroffene Person generell nur selten wirklich schmerzfrei vonstatten geht.
Ferguson aber überstand die Operation gut und veröffentlichte wenige Jahre später sein Buch "Leading", in dem er beschrieb, was "noch schmerzhafter, als mein neues Hüftgelenk" war: Die Rede ist von Verhandlungen mit Tottenhams Daniel Levy.
Im Sommer 2008 gab Manchester United alles, um den ehemaligen Bundesliga-Star Dimitar Berbatov zu verpflichten, wie Kane ein Stürmer. Levy beharrte stur darauf, den Bulgaren nicht verkaufen zu wollen und warf seinen Ligarivalen bei der Premier League sogar vor, Berbatov aktiv zum Wechsel anzustiften. Der Deal zog sich über den gesamten Sommer, bis Levy am "Deadline Day" schließlich nachgab und Berbatov für 30 Millionen Pfund (rund 34 Millionen Euro) ziehen ließ – eine damals durchaus stattliche Summe.
Damit weiß man, worauf sich der FC Bayern in den kommenden Wochen einzustellen hat. Levy gilt im Business als knallharter Geschäftsmann, vielleicht, zusammen mit Napolis Aurelio de Laurentiis, als der härteste außerhalb von Europas größten Klubs.
Tottenham-Fan der ersten Stunde: 2001 übernimmt Daniel Levy
Bereits seit seinem ersten Besuch an der White Hart Lane Ende der Sechzigerjahre unterstützt der 1962 geborene Levy Tottenham und baute sich das Unternehmen "ENIC International Ltd." auf, mit dem er Anteile an Klubs wie AEK Athen, Slavia Prag, dem FC Basel, Vicenza – oder auch Tottenham hielt. Nach zwei erfolglosen Versuchen, den Klub komplett zu übernehmen, ersetzte Levy im Oktober 2001 Alan Sugar als CEO.
Seit 1998, dem Jahr, in dem Levy seine ersten Anteile bei Tottenham erwarb, bis 2019, stieg der Wert des Vereins von 80 Millionen Pfund auf bis zu 1,8 Milliarden Pfund. Klubintern ist Levy hauptverantwortlich für Spielerzu- und -abgänge. Seine harten Verhandlungstaktiken machten Gareth Bale 2013 zum ersten Spieler der Fußballgeschichte, der über 100 Millionen Euro an Ablöse einbrachte. Wenn es sein muss, zögert Levy die Abgänge auch bis zum Deadline Day hinaus.
Wenn es um junge Spieler geht, ändert Daniel Levy sogar die Regeln
Bei den Zugängen setzt er gern auf junge, entwicklungsfähige Spieler, wie Christian Eriksen, Son Heung-min, Dele Alli und Harry Kane. Einer von Levys größten Glücksgriffe kam, als er 2008 ein 22-jähriges Mittelfeldtalent von Dinamo Zagreb verpflichtete.
Jener Spieler gewann bis heute fünfmal die Champions League und wurde 2018 Weltfußballer: Luka Modric. Levys Unterstützung ging sogar soweit, dass er sich 2007 für sieben Spieler auf der Bank einsetzte, um die eigene Jugend besser integrieren zu können. Mit Erfolg: Im Februar 2008 wurde dem Vorschlag juristisch stattgegeben.

Allerdings gibt es auch Kritik an Levy: Tottenham-Fans und Experten werfen ihm gleichermaßen vor, dass er zu wenig in den Klub investiert. 2018/19 zahlte Tottenham, von den "Big Six" in England die niedrigsten Gehälter und hatte, prozentual, den geringsten Anteil von Einnahmen zu Gehältern.
Auch bei Transfers wünschen sich die Fans mehr Initiative; In den ersten vier Amtsjahren von Mauricio Pochettino gab Tottenham eine Nettosumme von 33 Millionen Euro an Transfers aus und wurde 2018 zum ersten Premier-League-Klub, der keinen Wechsel während der Sommertransferperiode tätigte.
Was dem FC Bayern im Duell mit Daniel Levy Hoffnung macht
Auf der anderen Seite gibt es dafür keine Notwendigkeit, wenn es Levy gelingt, Leistungsträger langfristig zu binden. Was dem FC Bayern dennoch Hoffnung machen könnte, ist, dass Levy zwar nur äußerst ungern verkauft, aber noch immer lieber ins Ausland, als an nationale Konkurrenten.
2018 überredete er Kane zu einem Sechsjahresvertrag, mit dem Tottenhams CEO auf vorhersehbare Zeit alle Karten in der Hand hielt und sämtliche Transferoffensiven locker abschmettern konnte.

Allein, läuft Kanes Arbeitspapier kommenden Sommer aus. Vergangenes Jahr legte er Vertragsgespräche selbst auf Eis, um sich auf die Qualifikation zur Champions League konzentrieren zu können.
Diese ging mit Platz acht in der Premier League gründlich nach hinten los. Man kann Levy mitnichten vorwerfen, nicht alles versucht zu haben: Trainerwechsel von Antonio Conte zu Assistent Cristian Stellini, von Stellini zu Tottenham-Ex-Spieler Ryan Mason.
Titel als X-Faktor für den FC Bayern im Rennen um Harry Kane?
Nun steht Levy mit dem Rücken zur Wand: Entweder er einigt sich mit dem FC Bayern diesen Sommer auf ein Angebot oder er läuft Gefahr, Kane ablösefrei abgeben zu müssen, schlimmstenfalls zu einem Ligarivalen.
Um Kane zu einer weiteren Vertragsverlängerung zu bewegen, soll Levy sogar bereit sein, auch dieses Risiko einzugehen, berichten britische Medien. Allerdings feiert der Stürmer Ende Juli seinen 30. Geburtstag und keines seiner bisherigen Geschenke in 29 Jahren war ein großer Titel.
Tottenham triumphierte zuletzt im englischen Ligapokal 2008, England bei der WM 1966. Die letzte Meisterschaft der "Spurs" datiert sogar von 1961, ein Jahr vor Levys Geburt. Mit der Aussicht auf den Bundesligatitel und vor allem die Champions League kann der FC Bayern ein gewichtiges Ass gegen Levy ausspielen. Dennoch dürfen sie nicht erwarten, dass Kane nur deswegen einfacher zu bekommen wäre. Das weiß Florentino Pérez seit der Verpflichtung von Gareth Bale – vor allem aber Sir Alex Ferguson und seine, mittlerweile verheilte, Hüfte.