Hansi Flick wegen Boateng-Saga angefressen: "Muss auch bisschen schauspielern"

München - Hansi Flick hatte große Mühe, seinen Unmut zurückzuhalten. Gleich mehrmals betonte der Trainer von Bayern München, er habe eigentlich gar keine Lust, die Meldung über die bevorstehende Trennung von Jérôme Boateng zu kommentieren - und tat es dann doch.
Flick lobt Boateng vor PSG-Kracher
"Jeder weiß, wie ich zu Jérôme stehe und was für eine Qualität er hat", betonte Flick vor dem Viertelfinal-Hinspiel in der Champions League gegen Paris Saint-Germain leicht genervt. Doch der Chefcoach stößt in dieser Personalie bei den Bossen auf taube Ohren. Am Abend, nicht einmal eine Stunde vor Anpfiff, bestätigte Sportvorstand Hasan Salihamidzic, was sich über Tage abgezeichnet hatte: Boateng wird beim Rekordmeister keinen neuen Vertrag erhalten.
"Das war eine gemeinsame Entscheidung der Vereinsführung, und in die war der Trainer auch eingebunden", sagte Salihamidzic bei Sky: "Ich habe das Jérôme erklärt, er hat das auch verstanden, und er wird auch durch das große Tor gehen."
Nach der unglücklichen Niederlage gegen PSG zeigte sich der Bayern-Trainer angefressen und hatte sichtlich Mühe dabei, sich seinen Unmut nicht ansehen zu lassen: "Ich muss nicht alles beantworten und habe keine Lust dazu, da muss ich bisschen schauspielern als Trainer."
Dass Flick die Entscheidung seiner Bosse nicht gefallen würde, war abzusehen. Er war es, der Boateng einst vom Abstellgleis geholt und wieder zu einem Abwehrspieler von internationalem Format gemacht hat. Doch die Chefs, allen voran Salihamidzic, sehen in dem 32-Jährigen ein Auslaufmodell, das nun geht. Wie Flicks Musterschüler David Alaba, und wie im vergangenen Sommer schon Thiago - alle gegen Flicks Willen.
Unverständnis über öffentliche Entscheidung
Boateng sei "sehr konzentriert auf seinen Job, das ist eine gute Basis dafür, dass er Leistung bringen kann. Es ist immer eine gute Sache, wenn man solche Spieler hat", führte Flick am Dienstag aus. Zuvor hatte der "kicker" gemeldet, dass der Aufsichtsrat der Bayern beschlossen habe, mit dem Rio-Weltmeister nicht mehr zu verlängern. Diese Entscheidung sei auch Boatengs Berater mitgeteilt worden.
"Ich weiß nicht, wie so etwas an die Medien gelangt", sagte Flick, den das Thema sichtlich aufwühlte. Ob die Meldung tatsächlich stimme, würden "die kommenden Wochen zeigen". Sie stimmte.
Ähnlich hatte er geklungen, als über Thiago und Alaba spekuliert wurde - bis die Trennung in beiden Fällen dann doch Fakt war. Flick muss bei den für ihn entscheidenden Personalien immer wieder erkennen, dass sein Wort im Zweifel ungehört bleibt.
Kein Mitspracherecht für den Trainer
Das von ihm eingeforderte Mitspracherecht bei Transfers hat er nie bekommen, Spieler werden ohne seine Expertise geholt und abgegeben. Bei den Bayern ist und bleibt der Trainer nur ein Angestellter - auch wenn er ein "Sextuple" gewinnt.
Im Fall Boateng hatte ausgerechnet Uli Hoeneß das Feld bereitet. Schon im Mai 2019 legte der damalige Präsident dem Verteidiger einen Abschied nahe, vergangene Woche meinte das noch immer mächtige Aufsichtsratsmitglied, ein Comeback des Routiniers in der Nationalelf sei überflüssig. Und nur wenige Tage später sickerte aus besagtem Aufsichtsrat durch, dass Boateng gehen kann - an ein Medium, das mit Hoeneß seit jeher gut vernetzt ist.
Die Frage bleibt, ob mit der Personalie Boateng nicht der notdürftig beigelegte Streit zwischen Flick und Salihamidzic neu aufflammt. Und die Bayern im Sommer nicht noch auf einer viel wichtigeren Position Handlungsbedarf haben werden: der des Trainers.