Gute Triple-Chancen: Der FC Bayern München und sein meisterliches Timing
München - Pep Guardiola flehte, er bettelte, in der Hoffnung, dass ihn irgendeine höhere Macht erhören würde. "Bitte keiner verletzt, bitte alle fit", startete Guardiola sein Klagelied: "Ich will in Europa mit der besten Mannschaft kämpfen. Ich brauche alle!" Ende 2015 war das, und Guardiola, der damalige Trainer des FC Bayern, wusste zu diesem Zeitpunkt, dass es für ihn nur noch eine Chance geben würde, den Traum vom Champions-League-Sieg zu realisieren.
Ein paar Monate später musste Guardiola feststellen, dass er wieder verloren hatte: das Halbfinale gegen Atlético Madrid – und auch den Kampf gegen das Schicksal. In der entscheidenden Phase der Saison waren 2016 mit Arjen Robben und Jérôme Boateng abermals zwei seiner wichtigsten Spieler ausgefallen. Wie schon 2015, als im Semifinale der Königsklasse gegen den FC Barcelona gleich vier Stars verletzt gefehlt hatten: Holger Badstuber, David Alaba, Robben und Franck Ribéry. Dazu lief Maskenmann Robert Lewandowski mit Nasenbeinbruch, Oberkieferbruch, Schulter- und Rippenblessuren auf. Peps Primetime-Pech. Ein wesentlicher Grund für das Bayern-Scheitern.
Man hat den Eindruck, dass sich unter seinem Nachfolger Carlo Ancelotti das Schicksal gerade umkehrt. Denn der Italiener hat im Gegensatz zu Guardiola vor der heißen Saisonphase den kompletten Kader zur Verfügung. Mit Ribéry und Boateng sind die letzten Rekonvaleszenten ins Training zurückgekehrt. Die AZ erklärt, warum Carlos Triple-Chancen höher sind als die von Pep.
Der Konkurrenzkampf
"Die Spieler wissen, dass nicht alle spielen können", sagt Ancelotti. Doch gerade jetzt wird der Kampf um die Stammplätze besonders hart. Rückkehrer Ribéry beansprucht den Platz auf der linken Außenbahn, den aktuell Douglas Costa einnimmt. Samstag gegen den HSV steht Ribéry wohl wieder im Kader. Nicht die einzige spannende Position: In der Innenverteidigung hat Ancelotti nach der Rückkehr von Boateng in gut zwei Wochen drei Weltklasse-Leute zur Verfügung: Boateng, Mats Hummels und Javi Martínez. Und im offensiven Mittelfeld rangelt Thomas Müller mit Thiago um die Zehnerposition. Bayerischer Luxus!
Der offene Meisterkampf
Anders als in den drei Jahren unter Guardiola sind die Bayern in der Liga noch nicht enteilt. RB Leipzig lauert nur fünf Punkte hinter dem Meister, will den Titelkampf nicht vorzeitig aufgeben. "Wir sind noch heiß", sagt Leipzigs Emil Forsberg. Die Bayern-Jagd tut auch den Bayern selbst gut. Sie bleiben unter Spannung, können sich keinen Ausrutscher leisten. Das hilft für die Champions League.
Die Trainingssteuerung
"Ich bin kein Trainer, der seine Spieler im Training killt", sagte Ancelotti dem "Kicker". Der 57-Jährige wählt einen guten Mix aus Belastung und Entspannung, Ancelottis Plan scheint aufzugehen: Die Bayern sind trotz etlicher Englischer Wochen topfit, sie schlagen oft erst in der Schlussphase zu. Im Jahr 2017 schon bei den Partien in Freiburg, Ingolstadt und Berlin. Unter Guardiola war das Training intensiver, dafür fehlte dann aber in der entscheidenden Saisonphase die Frische.
Der Carlo-Faktor
Der Mittelfinger von Berlin war die absolute Ausnahme. Davon abgesehen, ruht Ancelotti in sich, er beruhigte zuletzt auch die Bosse Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge. "Meine Herren, warten Sie ab. Am Ende wird abgerechnet", sagte Carlo. Dreimal hat er als Trainer die Champions League gewonnen. Er versteht es, seine Mannschaft auf den Punkt zur Höchstleistung zu treiben, er ist der Meister des Timings. Genau das scheint auch jetzt bei Bayern zu stimmen.
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