Guardiola: "Ich rate Ihnen, das Spiel anzuschauen"

München - Pep Guardiola war gut drauf am Freitagvormittag. "Ich muss ins Fitnessstudio", sagte der Bayern-Trainer angesprochen auf den traditionell bayerischen Sport, den er letzten Sonntag beim Besuch des Fanklubs "Bazis Vilsbiburg" in Vilsbiburg absolvieren musste: Maßkrugstemmen.
Nach nur 110 Sekunden musste er den rechten Arm senken und aufgeben. Diesen Samstag will er ab 15.30 Uhr (Sky live) die Gladbacher Borussia stemmen und damit die letzte große Hürde dieser Hinrunde nehmen. Mit einem Sieg wäre der FC Bayern Herbstmeister.
Überhaupt will man ja ungeschlagen bleiben auf dem Weg zu Meistertitel Nummer 26. Die Herausforderung Borussia hört auf einen Mann, auf den Trainer-Aufsteiger der Hinrunde, auf André Schubert.
Erste augenscheinliche Ähnlichkeit mit Pep Guardiola: der kahl rasierte Schädel. Und natürlich ist Mönchengladbach gegen Bayern mehr als das Duell zweier markanter (Nicht-)Frisuren.
"Wir sind schön", entgegnete Guardiola auf die Äußerlichkeit hingewiesen und fragte eine Mitarbeiterin der Pressestelle: "Oder, Nina?"
Dann strich sich Pep über seine Glatze.
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Darunter herrschte seit Tagen Hochbetrieb. Wegen Schubert. Er ist der Mann, der die letzte Hoffnung der Bundesliga verkörpert. Kann er, der Ungeschlagene, den in dieser Saison und in 48 Hinrundenpartien unbesiegten Guardiola bezwingen?
Kann Schubert der Liga etwas Spannung zurückgeben und das ersehnte Gefühl, diesen Bayern doch irgendwie – zumindest in einem Spiel – beikommen zu können? Gerade jetzt, da dem Bayern-Coach vor den letzten fünf Spielen in 15 Tagen bis zur Winterpause sechs Profis (David Alaba, Thiago, Arjen Robben, Douglas Costa, Mario Götze und Juan Bernat) fehlen?
Und das vor dem Hintergrund, dass die Münchner in den vergangenen elf Bundesliga-Duellen mit Gladbach nur vier Siege eingefahren haben?
Gegen keinen Gegner hatte Guardiola letzte Saison solch eine miese Bilanz: 0:0 und 0:2. Nur ein Punkt! Kein Tor! Kaum zu glauben. Das war unter Schuberts Vorgänger Lucien Favre, der im September nach fünf Pleiten hingeschmissen hat.
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Unter Schubert verloren die Mönchengladbacher keines ihrer neun Bundesligaspiele, nur die Pep-Bayern holten in diesem Zeitraum mit 25 Zählern zwei mehr als die Fohlen. Die Torbilanz: 27:26.
Dennoch gab sich Schubert, wie Guardiola 44 Jahre alt, demütig und sagte: "Der FC Bayern ist im Moment wohl die beste Mannschaft der Welt, auf Augenhöhe mit dem FC Barcelona." Aber eben doch verwundbar.
In der Offensive verbleiben nur Robert Lewandowski, Thomas Müller, Kingsley Coman und der genesene Franck Ribéry. Das Mittelfeld ist auf die Fachkräfte Xabi Alonso, Javi Martínez und Arturo Vidal reduziert.
Guardiola muss wegen all der Verletzten zum 100. Mal seine Anfangsformation ändern. Er kennt das. Aber durchschaut er Schubert? Guardiola liebt Herausforderungen, da wird Fußball für ihn zu Schach.
Dieses Duell der Masterminds werde "ein super, super Spiel" gegen eine "tolle, tolle Mannschaft", freute sich der Spanier. "Wenn den Leuten in Deutschland langweilig ist oder sie nichts zu tun haben, rate ich ihnen, das Spiel im Fernsehen anzuschauen."
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Er habe viel Freude gehabt, die Gladbacher unter der Woche am Laptop zu studieren. Guardiolas Kurzanalyse: "Gladbach ist eine der besten Mannschaften, nicht nur in diesem Jahr, auch in der Geschichte der Bundesliga. Immer mit Offensivmentalität, sie sind sehr aggressiv nach vorne, wollen den Ball, spielen Angriffspressing. Ich mag diese Mannschaften, ich mag, wie sie spielen."
Allzu offensiv und naiv wie vor vier Wochen Stuttgart (0:4) wird die Borussia nicht auftreten.
"Gladbach war in den letzten Jahren immer ein sehr harter Gegner, wir haben uns nie leichtgetan", sagte Thomas Müller und meinte zum Lauf der Borussia: "Wir sind guter Dinge, dass wir diese Serie durchbrechen können."
Also Herbstmeister werden. Fürs gute bayerische Gefühl in der Adventszeit. Denn, so Müller: "Das ist eigentlich kein Titel, das ist ja nur Status quo zur Weihnachtszeit."
Patrick Strasser