Guardiola gegen Tuchel: Der Bruder-Zwist

München - Es ist eine Dreiecksbeziehung. Jürgen Klopp, einst einer der Vorgänger von Thomas Tuchel beim FSV Mainz und der direkte Vorgänger Tuchels bei Borussia Dortmund, könnte ab kommendem Sommer Nachfolger von Pep Guardiola beim FC Bayern werden. Der Vertrag des Spaniers läuft Ende Juni 2016 aus, noch gibt es keine Gespräche, keine Signale, was Verhandlungen um einen Verbleib betrifft.
Also stehen vorerst lediglich diese zwei Duelle in der Bundesliga zwischen Guardiola und Tuchel an. Vor- und Rückrunde, der erste Termin: Sonntag, 17.30 Uhr, Allianz Arena. Vier Mal konnte Dortmund bei den letzten sieben Versuchen in München gewinnen, doch das war Zahlen in der Klopp-Ära. Nun treffen die Trainerbrüder im Geiste aufeinander.
Man kennt sich, man schätzt sich, man mag sich. Thomas Tuchel (42) nennt Pep Guardiola (44) „ein Vorbild“. Wenn sich die beiden treffen, wie dieses Jahr in der Münchner Szene-Bar „Schumann’s“ am Odeonsplatz, dann wundern sich Tischnachbarn und Kellner, dass sie für ihre stundenlangen Taktikdiskussionen so viele Salz- und Pfefferstreuer bestellten bis der Tisch voll war. „Auch wenn das nur eine Spielerei ist, zeigte es, dass sie Freaks sind, Fanatiker in ihrem Beruf“, sagt Ex-Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld. Der Sky-Experte: „Für mich ist Guardiola ein Fußball-Genie. Es wäre es schade, wenn er nach drei Jahren Bayern verlässt. Er ist der Architekt und Baumeister dieses Erfolgs. Wenn er vier, fünf, sechs Jahre bleibt, könnte er eine Ära prägen.“ Tuchel habe „frischen Wind reingebracht“. Hitzfeld: „Er ist ein akribischer Arbeiter, der auch mehr Wert auf Ballbesitz legt als sein Vorgänger. Dadurch ist der BVB unberechenbarer.“ In zwei Duellen mit den Mainzern verlor Tuchel gegen Pep 2013/14 – 0:2 und 1:4.
Die Frage am Sonntag wird lauten: Wer verschiebt welchen Salzstreuer taktisch cleverer? Welcher Pfefferstreuer tut dem Gegner mehr weh?
Tatsächlich spielt der BVB unter Tuchel nun eine Prise Pep-Fußball. Der kraftvolle Überfallfußball der Ära Klopp wurde angereichert durch Tuchels Ballbesitz-Stil, der die gegnerischen Mannschaften durch Dominanz erniedrigen will, nicht nur durch plötzliche K.o.-Schläge. Guardiola wie Tuchel agieren 90 Minuten wie ein 13. Mann an der Linie. „Das Peps Naturell, sein Temperament“, sagt Hitzfeld, der aus eigener Erfahrung weiß: „Der Job kostet viel Substanz, das ist auch Stressverarbeitung. Man muss mit dem Stress umgehen können.“ Und mit den Risiken.
Dass Guardiola in seinen zwei Jahren und drei Monaten an der Säbener Straße einige Spieler neu erfunden hat, zeugt für Hitzfeld von Weitsichtigkeit und Courage. „David Alaba als Innenverteidiger aufzustellen, dafür hätte ich vielleicht nicht den Mut gehabt“, sagt Hitzfeld, „Pep ist da ein Vordenker, hat für solche Dinge ein super Auge. Ich kenne keinen, der diese Dinge so macht. Es war ein Experiment, es ist gelungen. Auch Philipp Lahm ins Zentrum zu stellen, war eine Überraschung. Auch das hat super geklappt.“ Will der Ex-Coach den Bayern nahelegen, sie sollten unbedingt mit dem Katalanen über 2016 hinaus weiterarbeiten? Für Hitzfeld würden Verhandlungen in der Winterpause reichen, „das ist ja auch so vereinbart. Man darf sich da als Verein nicht von außen unter Druck setzen lassen. Bei Bayern setzt man jetzt noch voll auf Pep. Von Vereinsseite besteht kein Bedarf, dass man den Trainer wechselt.“
Bayern-Übermacht: Fußball-Deutschland drückt Dortmund die Daumen
Außer Guardiola will nicht mehr. Und schon wären wir wieder bei Klopp. Nächstes Jahr heißt es dann wohl: Tuchel fordert Klopp, Dortmund fordert Bayern. Wie sich die Zeiten ändern.