Guardiola, der Mister nimmersatt
Berlin - Es gibt da diesen Cowboywitz. Vier Mann spielen Poker, als einer dazukommt, brüllt: „In einer Stunde geht die Welt unter!“ Drei Cowboys springen sofort auf: „Ich muss noch schnell was Leckeres essen!“ – „Ich muss zu meiner Frau, nochmal aufsitzen!“ – „Ich will mir noch mal die Rocky Mountains ansehen!“ Nur der vierte bleibt in aller Ruhe sitzen und sagt cool: „Erst mal wird zu Ende gespielt.“
Pep Guardiola wäre der letzte Cowboy. Der Trainer des FC Bayern ist einer, dem das Spiel über alles geht. Ein schräger Nerd. Ein positiv Irrer. Und gerade deswegen so brillant. „Der positive Fanatismus, mit dem dieser erstaunliche Trainer arbeitet, ist tatsächlich eine neue Dimension“, hat Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge neulich gesagt. Sie bewundern ihn tatsächlich.
Alle Bosse des FC Bayern. Weil er anders ist, einzigartig. Und nur aufs Spiel fixiert. Fragen nach Meisterfeiern und Bierduschen, wie zuletzt auf den Pressekonferenzen gestellt, befremden ihn. „Ich habe nicht übers Feiern nachgedacht“, sagte er, gequält. Nein, am Sonntag hat er sich in seinem kargen Trainerbüro zwei Spiele der Hertha angeschaut und am Dienstag, in Berlin, nochmal eins. Das ist sein Job. „Er hat einen klaren Plan und ist fleißig, wie ich es bei noch keinem Trainer erlebt habe“, sagt Rummenigge.
Mit Akribie in jedem Training, mit feurigen Ansprachen, analytischen Videobesprechungen hat er das Heynckes-Team verbessert. Es gibt keine bessere Allrounder-Mannschaft in Europa, keine höhere Schwarmintelligenz. „Ich bin immer wieder überrascht, auf was er uns alles vorbereitet und wie viel davon dann wirklich im Spiel so eintritt“, sagt Thomas Müller. Selbst in der Halbzeitpause ist Pep immer am Feinjustieren.
Oft kamen die Münchner zuletzt verspätet zur zweiten Hälfte aufs Feld, zahlten sogar schon zweimal Strafe an die Uefa. Die Zeit ist das einzige, was Guardiola manchmal nicht im Griff hat. Sonst alles. „In dieser Beziehung bin ich Deutscher“, hat er zu Rummenigge mal gesagt. „Ich will Disziplin auf und neben dem Platz.“ Das zahlt sich aus.
Mit der deutschen Meisterschaft, die die Bayern in Berlin am Dienstagabend mit einem Sieg perfekt machen könnten, hat Guardiola in vierdreiviertel Jahren als Trainer insgesamt 17 Titel gewonnen (siehe Kasten)! Noch perverser wird die Zahl, wenn man sich vergegenwärtigt, dass er nur sechs Titel nicht gewonnen hat – zweimal verpasste er mehr oder weniger schlampig den Champions-League-Sieg mit Barcelona (2010, 2012), zweimal den spanischen Pokal (2010, 2011), einmal den Liga-Titel (2012) und vergangenen Sommer den unbedeutenden DFL-Supercup mit Bayern gegen Dortmund.
Sonst gewann er alles. Für seinen Erfolg hat Guardiola eine bescheidene Erklärung: „Ich habe viele Titel gewonnen, weil ich große Spieler hatte“, sagt er. Sicher, bei Barcelona und Bayern war die Chancen höher als mit, sagen wir mal, Braunschweig. „Ein Trainer ist immer nur gut, weil er bei einem großen Verein ist und große Spieler hat. Die Spieler verdienen viel Lob. Sie sind unglaublich.“
Nimmersatt ist er dennoch, hat immer noch Details im Bayern-Spiel erkannt, die besser laufen könnten. Der Spielrhythmus könnte ausgewogener sein, die Spielverlagerung besser, die Ballbesitzrate noch höher. „Wir können noch viel besser“, sagt er. Man wird es sehen, wenn sie zu Ende gespielt haben.