Größtmögliche Pressefreiheit
Manager Hoeneß droht Mitarbeiter von fcb.tv mit Entlassung – weil der junge Reporter zu fragen gewagt hatte, ob der Bayern-Dusel zurück sei
KARLSRUHE Auf der Bank, neben Cheftrainer Jürgen Klinsmann, da sieht man dieser Tage häufig, wie es um die Gemütsverfassung des Bayern-Managers wirklich steht: Uli Hoeneß leidet, Uli Hoeneß schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, Uli Hoeneß zupft nervös an seinem Schal, Uli Hoeneß schreit, Uli Hoeneß sackt in sich zusammen, Uli Hoeneß springt wütend auf. So auch am Samstag. Es war ein anstrengender Nachmittag im Wildpark, ehe der erlöste Manager zum Torjubel aufspringen durfte. Es war ein glücklicher Sieg. Doch nach dem Abpfiff wollte Hoeneß davon nichts mehr wissen – und sorgte genau aus diesem Grund für einen Eklat!
In den Katakomben wurde Hoeneß zuerst gefragt: „Haben wir heute wieder die Dusel-Bayern erlebt?“ Das Problem an der Sache: Die absolut nachvollziehbare Frage stammte von einem Reporter in Diensten des vereinseigenen „fcb.tv“, einem kostenpflichtigen Fernsehangebot auf Bayerns Homepage. Und von einem Mitarbeiter, den der Rekordmeister selbst bezahlt, wollte sich Hoeneß eine derartige Frage nicht gefallen lassen! „Sie sind wirklich vom fcb.tv?“, fragte der sichtlich erstaunte Hoeneß und fügte dann an: „Sie müssen sich in der nächsten Woche einen neuen Job suchen!“ Hoeneß als Scharfrichter, der das Arbeitsrecht aushebelt? Wie blank müssen die Nerven liegen beim Bayern-Manager? Der junge Reporter, erstmals für den hauseigenen TV-Kanal im Einsatz, reagierte geschockt. Hoeneß meinte etwas später: „Wenn es die siebte Frage gewesen wäre, hätte ich das verstanden. Aber vom eigenen Reporter diese Frage zuerst gestellt zu bekommen, das ist hirnverbrannt.“
Wird der „hirnverbrannte“ Reporter also tatsächlich gefeuert? Mediendirektor Markus Hörwick sagte zur AZ: „Eigentlich war ein Reporter aus München vorgesehen, der ist aber krank geworden. Die Produktionsfirma, die fcb.tv für uns produziert, hat für ihn einen Ersatz in Karlsruhe gebucht. Zu einem weiteren Einsatz wird es für den jungen Mann wohl nicht kommen.“ Um eine Entlassung handelt es sich somit nicht, doch die Karriere des freien Mitarbeiters bei fcb.tv ist beendet.
Hat die neue Dünnhäutigkeit Einzug gehalten? Manchmal könnte fast der Eindruck entstehen, der FC Bayern hätte am liebsten die zuletzt während Olympia von den Chinesen so oft zitierte „größtmögliche Pressefreiheit“ – also eine eingeschränkte. So verbittet sich Trainer Jürgen Klinsmann, länger als drei Minuten lang fotografiert zu werden. So wurde „Sport-Bild“-Reporter Raimund Hinko vor zwei Wochen mit einem Hausverbot bei Klinsmann-Presserunden belegt, weil der Coach nicht mit Mitarbeitern einer Zeitschrift an einem Tisch sitzen mag, die ihn seit Wochen hart angeht. Und nun die Vor-Zensur im Klub-TV.
sb, jos